Kontrolle meiner Abteilung oblag, befanden sich
Professoren und Studenten, Fabrikdirektoren, In
genieure, Geistliche, Ärzte, Rechtsanwälte, Künstler
und manuelle Arbeiter sämtlicher Branchen.
Vor allem aber war es das sonst anscheinend harm
lose Völklein der Schauspieler, das uns zu schaffen
machte. Besaß Riga doch ein deutsches Theater, des
sen Mitglieder bei Kriegsbeginn zum Teil in der
Stadt verblieben waren. Und wenn auch deutsche
Stücke später verboten wurden, so wirkten sie doch
im Variete, bei Wohltätigkeitsvorstellungen und in
Konzerten mit, um sich ihr Brot auch unter den ge
änderten Verhältnissen verdienen zu können.
Häufig liefen nun Anzeigen bei uns ein, der eine
oder andere dieser Gilde habe aufreizende Reden ge
führt, in irgendeinem geschlossenen Zirkel mit flam
mender Begeisterung ein Kampflied von Theodor
Körner vorgetragen oder „Tod den Tyrannen! 46 ge
rufen. Der Hitzkopf wurde dann zur Abkühlung in
das große Interniertenlager gesteckt.
Unter den Zurückgebliebenen befand sich auch die
junge Tragödin Martha Hell. Noch im Mai hatte die
bildschöne, außerordentlich begabte Künstlerin als
Medea in Grillparzers Trauerspiel wahre Triumphe
gefeiert. Nun wohnte sie still und zurückgezogen mit
einer alten lettischen Dienerin in einer kleinen Villa
außerhalb der Stadt. Wir von der Polizei hatten
„höhere 44 Weisung erhalten, die Dame nicht zu be
helligen. Nur die Eingeweihten wußten, daß der
kommandierende General selbst es war, der seine