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Ö
MEDEA
Von Staatsrat R. v. M. in Riga
Es liegt ein völkerversöhnender Zug in der unpar
teiischen Feststellung: daß im letzten und größten
aller Kriege die Ausspähung, genauer gesagt, das auf
einen gewissen Grad technischer Vollkommenheit ge
brachte Kundschafterwesen, bei allen kriegführenden
Staaten nahezu gleich gut organisiert war. Zugegeben,
daß Rußland und Frankreich besonders zu Beginn
der Feindseligkeiten weitaus reichlichere Geldmittel
für solche Zwecke in die Waagschale werfen konnten
als ihre Gegner. Was Tüchtigkeit und Verläßlichkeit
des Menschenmaterials, namentlich aber rückhaltlose
Hingabe an die gestellte Aufgabe betrifft, so glaube
ich, daß die Deutschen auch auf diesem Gebiete das
Höchste geleistet haben.
Ich stand im Herbst 1914 als Rat bei der Staats
polizei in Riga im Dienste. Zu meinem Ressort
gehörte die undankbare Aufgabe der Fremdenüber
wachung. Eine Betätigung, die gerade in der halb
deutschen Universitätsstadt allmählich in wahre Si
syphusarbeit auszuarten drohte. Unter den abertau
send Personen, deren genaue Evidenzführung und