198
scliafter in Konstantinopel, den greisen Markgrafen
Pallavicini, Tag für Tag absandte.
Unser „Schwarzes Kabinett 66 aber hatte dort den
fuchsschlauen Agenten Serafimow, einen der gerie
bensten Kundschaftsbeamten der damaligen Zeit
periode. Ihm war ich als Gehilfe zugeteilt und ge
stehe offen, mich an seinem unvergleichlichen Kön
nen geschult zu haben, alle meine späteren „Spitzen
leistungen 66 seinen Lehrsätzen zu verdanken.
Serafimow lag also am Goldenen Horn unermüd
lich auf der Lauer und beobachtete mit Argusaugen
den chiffrierten Telegrammwechsel zwischen dem
Markgrafen Pallavicini und dem Grafen Berchtold.
Wie er es zustande brachte, von unseren Wiener Ge
heimfreunden den jeweilig aktuellen Chiffernschlüs-
sel unverzüglich zu erfahren, ist mir selbst heute noch
ein Rätsel. Aber daß er jede dieser Kauderwelsch
depeschen auf ihren tatsächlichen Inhalt sofort zu
entziffern verstand und diesen unverzüglich in seiner
eigenen Chiffernschrift nach Petersburg drahtete,
davon war ich als sein Gehilfe ja ständig Augenzeuge.
Eines Tages hielt Serafimow ein chiffriertes Tele
gramm Rerchtolds an Pallavicini, das ihm auf üb
lichen Wege ausgehändigt worden war, in der Hand
und sagte lächelnd zu mir: „Jetzt wissen wir bereits
genug. Ich darf mir also die Probe erlauben, ob auch
Berchtold schon unseren neuesten Chif fern
schlüssel kennt. Lesen Sie das. 66
Ich las den von Serafimow bereits mit Bleistift de
chiffrierten Text. Er lautete: