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Rätsel ihrer Schriftzeichen eingeweiht wurde. Dazu
ist eine gewisse Instruktion nötig, die angibt, nach
welchen Regeln die Geheimschrift zu entziffern ist.
Diese Instruktion, meist in Buchform, heißt eben
international der Chiffernschlüssel.
Daß der Chiffernschlüssel die heißeste Sehnsucht
aller großen und kleinen Spione bildet, das braucht
nicht erst betont zu werden. Wer den Chiffernschlüssel
des Gegners kennt, ist allwissend; er vermag jeder
drohenden Gefahr rechtzeitig zu begegnen, jede Ab
sicht des andern zum richtigen Zeitpunkt zu durch
kreuzen.
Dieser Erkenntnis wegen benutzten Graf Berch-
told einerseits wie Sasonow anderseits sehr kompli
zierte Chiffern mit doppelter Chiffrierung, die meist
nur kurze Zeit galt, bisweilen sogar für besonders
wichtige Telegramme einen eigenen Chiffernschlüssel
nötig machte. Wenn trotzdem die Geheimagenten
hüben wie drüben den Inhalt der meisten Chiffern-
telegramme festzustellen verstanden, beweist dies
eben eine schier unbegreifliche Virtuosität in dieser
schwierigsten der Dienstleistungen.
Ein bei aller Tragik der Begleitumstände recht hei
teres Erlebnis aus dem ersten Kriegsjahr sei zur Be
weisführung hier geschildert.
Wohl die vornehmlichste Sorge des Grafen Berch-
told bildete nach Kriegsausbruch das Ziel, Italiens
Neutralität bis zur Entscheidung des Völkerkampfes
zu erhalten. Das bezeugte uns die Flut dringlicher
Telegramme, die er damals von Wien an seinen Bot-