Volltext: Spione und Verräter

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meine Dienstzeit als Einjähriger in diesem Regiment 
begonnen — die Angaben des Reservisten waren also 
bestimmt falsch. Doch ließ ich den Mann, der ein 
schlechtes Gedächtnis haben mochte, von meinem 
Argwohn nichts merken. Beschloß aber, ihn unauf 
fällig zu beobachten. 
Eine Woche später sollte, mit Unterstützung durch 
deutsche Regimenter, ein raumgreifender Vorstoß 
unternommen werden. Alle Vorbereitungen waren ge 
troffen. Da meldete mir der Wachtmeister, der eine 
Landstürmhusar Nagy Imre habe sich freiwillig er 
boten, in der Nacht vorher die Verhältnisse bei den 
Russen drüben auszukundschaften. Das war verwun 
derlich. Ein Vorkriechen selbst während der Nacht 
bedeutete bei der Wachsamkeit des Gegners sicheren 
Tod. Zudem, was konnte ein Mann, der doch nur Un 
garisch sprach, auf russischer Seite auskundschaften 
wollen? 
Ich ließ den Nagy Imre in meinen Unterstand kom 
men. Sah ihm, wie er stramm, eines Befehles gewärtig, 
vor mir stand, fest in die Augen und sagte unwillkür 
lich auf Deutsch: „Sie werden als Spion erschossen! 66 
Ich hatte das mehr zu mir selbst gesprochen, in der 
Erwägung, für eine derartige Tollkühnheit des Aus- 
spionierens nach der feindlichen Front hin wäre jedem 
der Tod sicher. Aber kaum hatte ich das gesagt, so 
gewahrte ich mit Verblüffung, welchen Eindruck der 
deutsche Satz auf den Landsturmhusaren Nagy Imre 
hervorrief. Jäh erbleichend stierte der Mann mich an. 
Dann zuckte er wie resigniert die Schultern und zer
	        
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