Volltext: Hier spricht der Feind

Hinter Foch kam sein Generalstab; und eine Wallung von Stolz ließ den Kopf 
bei deffen Anblick hoch aufrichten; der Stab des Marschalls war von Generalen 
aller Nationen der Welt gebildet. 
Dann kamen die alliierten Nationen, die in einer prächtigen Symphonie von 
Fahnen und Uniformen vorbeizogen. Die Straße blieb leer. Die Zurufe wurden 
ferner und ruhiger; große Stille. Man wartete. Die Minute war religiös. 
Da durchschnitten die Clairons in der Morgenluft den dumpfen, hohlgehenden 
Lärm der Menge und schmetterten die heroische Weise, die ersten Noten des sieg¬ 
haften Refrains: 
|-S-p 
0- 
i g „ - t~t~ 
JH. As O 
^w 
a_g jbü_J_ 
7 1 
_L—fle-ß 
Wy—^— 
_____ ^ 
^ la vic - toix-e en chan-tj 
ant nous 
ou-vre la bar-ri&-re, laliber-te guidenos pas 
Ein Schauer überlief die Menge: die Unsern! Die andern Musiken spielten 
Märsche oder Hymnen; diese stieß einen Schrei aus, der aus der Tiefe der Brust 
kam. Eine ganze Geschichte, ein ganzes Erbe, ein ganzer Seelenzustand nahm 
bei diesem Appell Leben an. Ruhm, Dank, Achtung, Höflichkeit hatten unsere 
Verbündeten begrüßt. Aber beim Ton dieses nervigen und sieghaften Gesangs, 
der die Herzen in einem rascheren Takte schlagen ließ, gab es keinen Gefühlsaus¬ 
tausch mehr zwischen den Vorübermarschierenden und den Zuschauern; denn es 
war überhaupt keine Unterscheidung zwischen den einen und andern mehr möglich. 
Alles verschmolz in einem vollkommenen Akkord, in einer großartigen Vereinigung. 
W i r marschierten vorüber, w i r waren die Zuschauer! Dieselbe Erregung trug uns 
alle empor, wir verstanden uns, ohne daß ein Mißverständnis möglich gewesen 
wäre. Und wie bei einem Brande die Flammen zuerst lange die Nachbarhäuser 
lecken, die der Ansteckung widerstehen und sich nur langsam erwärmen, dann aber 
der Funke einen geeigneteren Stoff findet und einen neuen Brand verursacht, so 
daß in einem Funkenwirbel die beiden Brandherde zu einem einzigen verschmelzen 
und man den alten vom neuen nicht mehr unterscheiden kann, so stiegen die Ve- 
geisterungsrufe zum Himmel auf, und sie wurden nicht mehr von den einen 
den andern gespendet, sondern ein Volk zeigte sich ganz und gar, das seine Freude 
und seine Begeisterung ausdrückte. Petain ritt auf einem Schimmel vorüber, 
prächtig, olympisch. Die Fahnen folgten. Man zitterte. Die Kehlen waren uns 
zugeschnürt, wir konnten nicht mehr rufen. Mit heiserer Stimme sagte zu mir 
Metier, der nicht wußte, ob er lachen oder weinen sollte: „Nie kann man einen 
Augenblick wie diesen zu teuer bezahlen!" 
305
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.