Volltext: Hier spricht der Feind

Fußes herankommen laßen, um sie besser abschlachten zu können. Das ist eine 
andere Musik, wie einer sagt. Ich weiß nicht mehr, wie spät es ist, denke auch 
gar nicht daran, auf die Uhr zu schauen. Manchmal kämpfe ich gegen den Schlaf. 
Von Zeit zu Zeit ruft ein Soldat an irgendeiner entfernten Straßenecke ein 
schauriges „Halte-lä!" Ein einzelner Gewehrkrach widerhallt in den Straßen. 
Die Feuersbrunst erlöscht in Noyon. Aber ihr sterbender Schein strömt immer 
noch wie ein roter Nebel über die Stadt hin. 
Gegen Mitternacht hat das Infanteriefeuer wieder begonnen. Es hat wie ein 
Krampf die Linien durchlaufen, und weiter unten, auf der anderen Seite des 
Bahnhofs, geht es los! Schreckensschreie schallen dazwischen. Es hieß, die Deut- 
schen seien in die Stadt eingedrungen; man schlug sich auf der Straße im Hand¬ 
gemenge, um sie aufzuhalten. Wir haben wieder heftig zu schießen angefangen, 
um auf unserm Abschnitt jede Annäherung des Feindes zu vereiteln. In diesem 
Augenblick kommt der Befehl zum Rückzug. Wir rückten in Halbzügen ab, 
gebückt unter dem Hagel von Kugeln. Mehrere fielen noch in dieser letzten Minute. 
Noyon war menschenleer geworden, und der Durchmarsch der zurückgehenden 
Züge war wie ein Gleiten von Phantomen zwischen den Mauerfassaden. In 
tiefster Stille ging es auf einer unbekannten Straße dahin. Am ganzen Horizont 
zu unserer Linken brannten Dörfer. Maschinengewehrgeknatter in der Ferne, aber 
kein Kanonenschuß. Die Nacht war schön geworden, aber ein wenig frisch. Die 
Müdigkeit kam wieder und drückte uns nieder. Wir überschritten einen Fluß auf 
einer Brücke. Englische Offiziere standen unbeweglich auf dem anderen .Ufer, 
wo ein Maschinengewehrauto aufgestellt war. Sie grüßten unsern Hauptmann 
und fragten, ob noch viele Truppen hinter uns kämen, denn sie hatten den Auf¬ 
trag, die Brücke zu sprengen. Nach mühsamem Marsch erreichten wir endlich 
ein Dorf, von dem schon fünf oder sechs Häuser in Flammen standen. Hier 
durften wir rasten. Ohne eine Minute Zeit zu verlieren, stürzte man sich in die 
Häuser und schlug mit den Gewehrkolben die verschloffenen Türen auf. Ge¬ 
stiefelt und umgeschnallt warf ich mich auf ein Bett in einer Art Alkoven, und 
halbtot versank ich in einem Augenblick in unüberwindlichen Schlaf. 
293
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.