Volltext: Hier spricht der Feind

lande. Aber ich trage in mir so viel Frische und Freiheit, in der ich meine Lungen 
und Sinne während meiner Nachtmärsche reingebadet habe, daß ich mich froher 
fühle als zuvor. Von Salzburg komme ich nach Seekirchen, von Seekirchen nach 
Braunau, von dort in ein anderes „hartes" Gefangenenlager, dann in ein Hotel 
im Gebirge, schließlich nach Sigmundsherberg. And während draußen sich schon 
die Revolution ankündigt, wird hier ein Tanzkurs eröffnet. Obszöne, exotische 
Tänze in den eng anliegenden, graugrünen Hosen. Man hat selbst einen Ball, 
einen Maskenball gegeben, der den größten Erfolg hatte; schade, daß man ihn 
nicht wiederholen kann. In der Erwartung ruft man die Herrlichkeiten 
zurück, die stattgefunden haben: „Du warst nicht dabei? Da hast du viel ver¬ 
säumt. Junge Bürschchen vom Jahrgang 99 hatten sich als Weiber verkleidet 
und führten sich vor den funkelnden Augen der Kameraden toll auf. Cs gab da 
Eifersuchtsszenen und richtige Paffionen. Einige fanden Geschmack daran, als 
Weiber zu gehen, und haben ganze Tage lang am Fenster geseffen, in Weiber¬ 
kleidung, um sich kleine durchsichtige Sachen zu nähen und mit Liebhabern zu 
klatschen, die sich um sie stritten. Einer ist sogar zu den österreichischen Offizieren 
gegangen, um sich zu beschweren, weil ihn sein Freund nicht mehr liebte! Am 
Abend gab es Champagner und Umarmungen. Du hast viel versäumt!" ... 
„Was, du wärst gar nicht hingegangen? Da hättest du Unrecht gehabt. Man 
muß manchmal vergeffen!" 
Zweifellos! Aber diesmal kaufte ich mir eine Flasche Tokaier und schloß mich mit 
zwei schweigsamen Freunden aus meinem Zimmer ein. Und aus dem Grund der 
Flasche, da fanden wir unsern Krieg der Frontschweine wieder und unsern düsteren 
Kriegerstolz. 
1. November. Freiheit. 
2. November. Waffenstillstand. Diesen Morgen aus dem Bahnhof, inmitten 
eines Kreises unserer Soldaten, übersetzte ein österreichischer Offizier, sehr liebens¬ 
würdig, in einem ziemlich schlechten Italienisch uns die harten Vertragsbedin¬ 
gungen vor ... Cs ist also Frieden. Llauckite tarn rivos. Was im Laufe unserer 
durchwachten Nächte in den Gräben unmöglich schien, ist eingetreten. Ich habe 
noch meine Haut, meine Knochen in gutem Zustand, auf der andern Seite dieser 
furchtbaren Barriere, nach der verpesteten Ruhezeit der Gefangenschaft, die gute 
Soldaten zugrunde gerichtet hat, wie die Granate und das Maschinengewehr. 
Das Leben liegt noch vor mir...
	        
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