Volltext: Hier spricht der Feind

übergehen. Aber er hielt seinen Kurs, und mit berstendem Krach und Feuer schlug 
er in das Vorderteil ein, wo ein halbes Hundert Leute schliefen. Man stelle sich 
vor — plötzlich aufgeweckt, in völliger Dunkelheit, zwischen dem Gestöhn von 
Verwundeten und Sterbenden! Im Augenblick war kein größeres Durcheinander 
möglich. Und doch standen die Leute schnell und kaltblütig auf und rannten an ihre 
Plätze, selbst der Funker, der durch das Deck nach oben geschleudert worden war. 
Es war keine Zeit, Boote herabzulaffen, denn die Dacht war schon im Sinken 
begriffen. Der Befehl von der Kommandobrücke, das Schiff zu verlassen, wurde 
befolgt, indem man die Boote über Bord warf und dann nachsprang. Während 
die Leute herumschwammen und die Boote flottzukriegen versuchten, ging die 
Dacht mit ihren Toten und Verwundeten in der mondbeleuchteten See unter. 
Cs war eine harte Arbeit," erzählte jener Überlebende, „die Boote aufzurichten und 
leer zu bekommen; Heimat und Mutter schienen gerade in diesem Augenblick recht 
fern zu sein. Ein Brett, ein Ruder, irgend etwas Trockenes war jetzt das einzige, 
was not tat. 
Wir waren gerade in das Boot geklettert, als die lange, dunkle Form eines 
U-Bootes sich aus der See erhob und längs kam. Glücklicherweise hatte eine 
Wolke den Mond ausgelöscht. Da das Unterseeboot höher lag als die Boote, 
konnten wir die Köpfe und Schultern von drei Männern sehen, die sich als Sil¬ 
houetten auf dem Aussichtsturm des U-Bootes gegen den Himmel abhoben. 
Eine Stimme, knapp, militärisch, doch höflich im Ton, fragte: ,Von welchem 
Schiff sind Sie?' Schnell flüsterte ein Offizier etwas, und als Antwort kam 
ein französischer Name. 
,Tonnengehalt und Ladung?' — ,800, Sir. Leer auf Fahrt nach D., Ladung 
holen.' —,Offiziere dabei?' Jedes Zaudern hätte die Offiziere, vielleicht die ganze 
Mannschaft, kriegsgefangen nach Deutschland gebracht. Aber der Zeuge antwortete 
aus eigener Initiative: ,Nein, Sir. Der Maat wurde bei der Explosion getötet, 
der Kapitän ist mit dem Schiff untergegangen.' 
Stellen Sie sich die Ungewißheit vor, als nun die U-Voot-Offiziere miteinander 
in der Dunkelheit sprachen — und die Erleichterung, als das Boot langsam 
weiterfuhr, nachdem es sich nach dem nächsten Land erkundigt hatte. Zwölf Stun¬ 
den Ruderarbeit, bevor wir den nächsten Hafen erreichten, konnten unsere Ge¬ 
nugtuung nicht vermindern; denn wir waren sicher," endete der Zeuge seine Ge¬ 
schichte, „daß wir knapp der Gefangenschaft in Deutschland entgangen waren..." 
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