Volltext: Hier spricht der Feind

dererseits konnten wir nicht darauf verzichten, eine offizielle Neuigkeit von solcher 
Bedeutung weiterzugeben. Am also nach Möglichkeit eine Panik zu verhüten, 
beschloßen M. Emile Hebrard und seine Mitarbeiter, das Kommunique mit 
folgenden Zeilen zu erklären: 
,Fügen wir der offiziellen Erklärung, die man eben gelesen hat, bei, daß die 
kürzeste Entfernung von der Front bis Paris mehr als 100 Kilometer beträgt.' 
Gleichzeitig also, wie wir unsere Pflicht der Nachrichtenvermittlung erfüllten, 
bemühten wir uns, das Publikum zu beruhigen, indem wir zu verstehen gaben, 
daß die Deutschen über ein Ferngeschütz von 100 Kilometer Schußweite ver¬ 
fügten, daß demnach die Front nicht eingebrochen sei und der Feind immer noch 
über 100 Kilometer von Paris entfernt stehe." 
Am 23. März 1928 veröffentlichte der „Temps" folgenden Brief: 
„Vielleicht ist es heute, nach 10 Jahren, noch nicht zu spät, Ihnen zu erzählen, 
wie an der Front und in dem Frontabschnitt, der zugleich der ,Bertha' und der 
Hauptstadt am nächsten war, die Beschießung von Paris durch Ferngeschütz 
bekannt wurde. Das Geschwader Nr. 62 lag im Süden der Aisne, in der Gegend 
von Saint-Amand, unweit Soissons. Es wurde geführt von dem Hauptmann 
Coli (dem Helden und Märtyrer der Äberfliegung des Atlantischen Ozeans, 
zusammen mit seinem Kameraden Nungesser). Eines schönen Morgens, am 
23. März 1918, kam Coli wie der Wind aus der Baracke, die er bewohnte, her¬ 
ausgestürmt, lief auf die im Gelände versammelte Mannschaft zu und rief: Un¬ 
sichtbare Flieger beschießen Paris! Los, Kinder, und so hoch wie möglich!' All¬ 
gemeine Vorbereitungen zum Kampf, 15 Motoren surren und steigen nachein¬ 
ander aus. Zwei Stunden Patrouille, 5000, 6000 Meter hoch. Kein feindlicher 
Flieger! Nur die Trikolorenslügel der Kameraden vom rückwärtigen Flugplatz 
und der ebenfalls alarmierten Nachbargeschwader. And gleichwohl schlugen immer¬ 
fort die Geschoffe in der Hauptstadt ein. Als wir leidenschaftlich über die Möglich¬ 
keiten einer andauernden Beschießung stritten, die von unsichtbaren Fliegern 
ausgeführt wurde, sagte Coli plötzlich mit einem Zornesblitz in den Augen: ,Gut! 
Ich weiß, was es ist: eine Kanone beschießt Paris!' Obgleich er von Marseille 
war und 15 Jahre Seefahrt in aller Herren Ländern seinen amüsanten Akzent nicht 
verwischt hatten, herrschte einen Augenblick allgemeines Entsetzen. 
,Erinnert ihr euch der Geschichte, die uns die deutschen Gefangenen erzählten?', 
fügte er hinzu. In der Tat war er vor einigen Wochen, im Januar, wenn ich 
mich nicht irre, vom Stab der VI. Armee, mit dem er täglich in Verbindung stand, 
zurückgekommen, und hatte uns folgende Anekdote erzählt: Zwei Gefangene waren 
dem Armeekommando vorgeführt worden und hatten auf Fragen verraten, daß die 
Deutschen insgeheim am Vau einer Eisenbahn arbeiteten, die ganz besonders ge¬ 
tarnt war und Ferngeschütze für die Beschießung von Paris heranführen sollte!" 
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