Volltext: Hier spricht der Feind

Gefangener 
im Lager von Soltau 
von Sergeant ^flmanü Hasevoets 
dem Werk:,,La Belgique heroique ei vaillante/4 
Von Bus sin. Verlag Librairie Pion, Paris. 
Ich gehörte damals zum Regiment der Festungsgrenadiere, wir hatten unsere 
Stellung zwischen dem Fort Kessel und Vroeckem, als am 4. Oktober 1914 die 
Beschießung begann. Zuerst regelten die Deutschen durch Schrapnellfeuer die 
Schußweite. Dann schossen sie in Abständen von 5 bis 10 Minuten Granaten 
nach Vroeckem hinein. Gegen Abend erhielten wir Befehl, die Bedeckung von 
Pionieren, die Brücken über die Rethe sprengten, zu übernehmen. Wir ver¬ 
bargen uns in den Feldern und sahen ihre Schatten den Fluß entlangstreifen. 
Fünf mächtige Blitze, fünf Krache in der düstern Nacht: die Brücken werden in die 
Luft gesprengt. Die Beschießung von Vroeckem hat nachgelassen, Flammen 
schlagen rings um das Fort. Wir ziehen uns dann in die 2. Verteidigungslinie 
zurück und stellen die Verbindung mit unserm Regiment wieder her. Die Sol¬ 
daten haben 60 Kilometer zurückgelegt, haben seit Wochen nur in Schützengräben 
geschlafen und sind vollständig erschöpft. Kaum find die Gewehre zusammengesetzt, 
so strecken fich schon die meisten aufs Pflaster aus. Auf den Schwellen ihrer 
Häuser stehen die Dorfbewohner und mustern neugierig und furchtsam die Grena¬ 
diere: was mögen diese Truppen alles hinter fich haben? Der Anblick einiger 
Geldstücke macht die Bewohner sicherer, und bald wird in jedem Hause eine gute 
Mahlzeit zubereitet. Am nächsten Tag marschieren wir weiter auf der Straße 
nach Sankt-Rikolas. Die Kanonen brummen hinter uns her, die Erde bebt unter 
einem Hagel von Granaten, wir müssen unsern Marsch unterbrechen und in den 
Ackerfeldern und Gärten Deckung suchen. 
In Veveren-Waes versammelt der Oberst die Offiziere und spricht lange mit 
ihnen. Düster und entmutigt kommen diese zu uns zurück: „Wir find umzingelt," 
sagen sie, „der Feind ist uns vielfach überlegen. Jeder Widerstand wäre aus¬ 
sichtslos. Unsere letzte und einzige Rettung ist der Übertritt auf holländisches 
Gebiet." Verzweifelt und mit Tränen in den Augen tauschen die Soldaten leise 
ihre Gedanken aus: „Was! Umzingelt, ohne gekämpft zu haben, ohne den Feind 
gesehen zu haben? Mas für eine Erniedrigung!" Aber schon setzt sich das Re- 
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