Volltext: Hier spricht der Feind

Der Angriff aus Sem Wal- von Mnöerlu 
auf -en hospitalgraben währen- -er Sommeschlacht, 
am 12. September 1916 
Aus dem Werk: „Mon regiment “ Von 
Leutnant Paul Dubrulle, im Zivil Jesuiten¬ 
priester. Verlag Librairie Pion, Paris.* 
Der große Tag, vielleicht unser letzter, war gekommen. Ich erwachte zu vor¬ 
gerückter Stunde, und indem ich mir über den Ernst des Augenblicks Rechenschaft 
ablegte, erhob ich mein Herz zu Gott, um ihm die letzten Stunden zu weihen. 
Dann hielt ich ruhig meine tägliche Besichtigung ab. 
Den Vormittag über verriet noch nichts das Drama, das sich abspielen sollte. 
Die Unbeweglichkeit des Todes ruhte über einer öden Landschaft. Gegen Mittag 
wurde die Post verteilt, wobei ein Mann, der während des ganzen Krieges noch 
nie eine Nachricht von seiner Familie erhalten hatte, mit Entsetzen einen Brief 
seiner Frau ausgehändigt bekam. Er schrie verzweifelt auf: „Ist man nicht 
ein unglücklicher Mensch! Zwei Jahre ohne Nachricht zu bleiben und endlich in 
der Todesstunde eine zu bekommen!" ... Er hatte recht, es war der letzte Brief, 
den er erhielt: eine Stunde später lag er im Talgrund, tot. 
Zwölf Uhr fünfzehn. Die Vorbereitungen begannen. Ein Befehl ging herum: 
„Sturmgepäck, Brotbeutel, Feldflaschen aufnehmen lassen!" Zugleich stiegen die 
Feffelballone hoch, und die Feuerwalze unserer Artillerie setzte ein, die zunächst 
das Gelände vor den Gräben leerfegen sollte, um dann alle zwei Minuten um 
hundert Meter vorverlegt zu werden. Kurzschüsse, über die unsere Poilus in 
Wut und Verzweiflung gerieten: „Diese Sauartilleristen! Können nicht acht¬ 
geben! Ans Telephon: Feuer vorverlegen!" Zwölf Uhr zwanzig. Ein Befehl 
beruhigt einen Augenblick die Wutausbrüche: „Bajonette aufpflanzen laffen, 
aber Gewehre tief halten, daß die Boches nichts sehen!" Mit einem Schauer 
bringen die Mannschaften die Waffe an der Gewehrspitze an, und auf der ganzen 
Linie wirft der Stahl unter den Sonnenstrahlen seine Blitze. Zwölf Uhr fünf¬ 
undzwanzig. „Sturmgepäck aufnehmen, bereit halten!" Der Befehl wird aus¬ 
geführt. Der letzte Augenblick kam heran, aber die Artillerie schoß hartnäckig 
immer noch zu kurz. Da plötzlich erhebt sich das Sausen der Flugbahnen um 
einige Meter höher, und genau im selben Augenblick steigt ein gewaltiges 
Geschrei zum Himmel auf der ganzen Linie: „Vorwärts! Vorwärts!" Und 
* Der französische Verleger legt Wert darauf hinzuweisen, daß der inzwischen verstorbene 
Autor sicherlich heute dem Buch eine neue Fassung gegeben hätte. 
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