Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

629 
begriff, sondern bloß für eine Maxime der Naturbcurtheilung aus- 
giebc. Sie läßt die Frage nach der Beschaffenheit der zweckthä- 
tigen Kräfte ganz offen; sie läßt ganz unbeantwortet, ob es 
materielle oder göttliche Kräfte sind, die hier wirken, ob es ab 
sichtliche oder unabsichtliche Zwecke sind, die hier ausgeführt wer 
den ; sie verfährt gar nicht bestimmend, sondern bloß reflectirend. 
So bleibt sie innerhalb der Naturbetrachtung, ohne metaphysisch 
zu werden; sie wird in ihren Urtheilen nicht theologisch, aber 
auch nie hylozoistisch. Wenn sie von der Sparsamkeit, Weis 
heit, Vorsorge, Wohlthätigkeit der Natur redet (Ausdrücke, die 
alle den Begriff der Zweckmäßigkeit bezeichnen), so hütet sie sich, 
diesen Ausdrücken ein dogmatisches Gepräge zu geben: sie will 
damit nur Erscheinungen beurtheilen, aber nicht Principien be 
stimmen *). 
Die Organisation als innere Zweckmäßigkeit der Dinge ist 
nicht erkennbar: mit dieser kritischen Einsicht vermeidet die te 
leologische Betrachtungsweise den Hylozoismus ebenso sehr als 
den Theismus. Aber die Einsicht in diese Unerkennbarkeit selbst 
ist bedingt durch die teleologische Beurtheilung. Wären die Or 
ganismen nicht innerlich zweckmäßig, wären sie bloß mechanisch, 
so wären sie vollständig erkennbar, und dann wäre kein Grund, 
warum wir nicht Organismen machen könnten so gut als Ma 
schinen. Das Wort: „gebt mir Materie, und ich will euch eine 
Welt daraus bauen" wäre dann auch anwendbar auf die leben 
digen Körper. Weil diese sich selbst organisiren, darum kön 
nen wir sie nicht machen, darum können wir sie nicht vollständig 
erkennen. „Denn nur so viel sieht man vollständig ein, als man 
*) Krit. der Urtheilskr. II Th. I Abth. §. 66-68. — Bd. VII. 
S. 248 bis 258.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.