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schiede nach beiden Seiten entspricht die reflectirende Urtheilskraft,
sie ist ein drittes, von Verstand und Wille verschiedenes Vernunft-
vermögen : die natürliche Zweckmäßigkeit gilt nicht als Erkennt
nißprincip , sondern bloß als Maxime der Beurtheilung.
Innerhalb dieser wohlbestimmten Grenze mußte zwischen
subjectiver und objectiver Zweckmäßigkeit der Natur unterschieden
werden. In keinem Falle wird die Erscheinung als zweckmäßig
bestimmt, sie wird nur so betrachtet oder beurtheilt; diese Beur
theilung selbst kann eine doppelte sein: es kommt darauf an, ob
die Erscheinung als zweckmäßig gilt in Rücksicht auf ihr eigenes
Dasein oder in Rücksicht auf unsere Betrachtung, ob mit ande
ren Worten ihr Zweck darin besteht, zu sein (was sie ist) oder
von uns betrachtet (bloß betrachtet) zu werden; im ersten Falle
beurtheilen wir die natürliche Zweckmäßigkeit als objective, im
anderen als subjektive; dort urtheilen wir teleologisch, hier ästhe
tisch. Die ästhetische Urtheilskraft ist untersucht; es bleibt noch
die teleologische übrig, deren Kritik die Lehre von der natürlichen
Zweckmäßigkeit und damit das kritische Lehrgebäude selbst ab
schließt.
Zunächst muß erklärt werden, was das teleologische Urtheil
ist, worin die objective Zweckmäßigkeit der Natur besteht. Dieß
geschieht „durch die Analytik der teleologischen Urtheilskraft"").
1. Die objectiv-formale Zweckmäßigkeit.
Wenn der Zweck der Erscheinungen nur darin besteht, daß
sie von uns betrachtet werden, so ist es nicht ihr Dasein, sondern
bloß ihre Vorstellung oder Form, die wir als zweckmäßig beur
theilen. Die ästhetische Zweckmäßigkeit ist lediglich subjectiv und
*) Kritik der Urtheilskraft. II Th. Krit. der teleol. Urtheilskraft.
§. 61. - Bd. VII. 6,229 flgd.