Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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Erhabenheit eigentlich nicht giebt, so müssen wir diese Er 
klärung richtig begrenzen. Es giebt kein objectiv Erhabenes im 
Sinn der Natur. Doch kann das Erhabene als Object vorge 
stellt werden; nur werden diese Objecte nicht Naturerscheinungen, 
sondern sittlicher Art sein. Wenn sich die moralische Kraft in 
ihrem Triumph über das sinnliche Dasein offenbart, so ist eine 
solche Erscheinung im objectiven Sinne erhaben. So wird das 
objectiv Erhabene im Sinne Kant's eingeschränkt auf das mora 
lische Gebiet, auf die Träger der sittlichen Idee, auf den sieg 
reichen Kampf des Guten über die sinnlichen Neigungen. Hier 
sind wir aus der Grenzlinie, wo die ästhetischen Empfindungen 
genau zusammenhängen mit den moralischen und religiösen. Ver 
wandeln wir das ächt Moralische und Religiöse in einen Gegen 
stand der bloßen Betrachtung, so wirkt es ästhetisch, und in sei 
ner ästhetischen Beschaffenheit ist es erhaben. In der sinnlichen 
Erscheinung des sittlichen Willens liegt die Differenz zwischen dem 
Erhabenen und dem rein Moralischen. Der sittliche Wille ist 
die gute Gesinnung, die als solche nicht erscheint; wenn aber 
der Wille erscheint oder sich sinnlich offenbart, so darf diese Er 
scheinung die Form des Affects annehmen. Der Affect für das 
Gute ist der Enthusiasmus. Das rein Moralische ist affectlos; 
der Enthusiasmus ist nicht rein moralisch, aber erhaben*). 
Dieser kantischc Begriff des objectiv Erhabenen ist auch ästhe 
tisch von einer sehr bedeutsamen Tragweite. Das Erhabene soll 
jederzeit auf die moralische Denkungsart und die Maximen bezo 
gen werden. So sind es die Träger der Maximen, die Reprä 
sentanten der sittlichen Idee, die Zdealmenschen, die allein als 
erhabene Erscheinungen gelten. Ihre Erhabenheit besteht in der 
*) Ebendas. I Th. I Abschn. IIB. Allg. Anmerkg. - Bd. VII. 
S. 125—129.
	        
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