578
Größe bestimmen wir die messende Einheit, sie kann ein Fuß,
eine Meile, ein Erddiameter sein. Zn Bezug auf die Menschen
erscheint die Erde groß; verglichen mit dem Planetensystem er
scheint sie klein, wie dieses selbst klein erscheint, verglichen mit
dem Sonnensysteme u. s. f. Die teleskopischcn und mikroskopischen
Betrachtungen belehren uns auf eine sehr anschauliche Weise über
die relative Größe aller Naturerscheinungen. Für die logische
und mathematische Größenschätzung giebt es nichts schlechthin
Großes. Dem Verstände gegenüber ist keine Größe erhaben;
der messende Verstand kann jede gegebene Größe durch die Ver
gleichung mit einer anderen unendlich verkleinern. Die mathe
matische Größenschätzung ist jedem Gegenstände gewachsen; das
Fassungsvermögen des Verstandes wird keiner gegebenen Größe
gegenüber zu klein. Es liegt in der Natur des Verstandes, daß
er fähig ist, jede gegebene Größe zu fassen, daß es ihm unmög
lich ist, eine gegebene Größe als absolut oder das unendlich Große
als gegeben vorzustellen. Diese Unmöglichkeit, das unendlich
Große als gegeben zu denken, ist nicht Unvermögen, dasselbe zu
fassen. Wäre die unendliche Größe gegeben, so wäre sie auch
logisch und mathematisch faßbar.
Jede Größenbetrachtung ist zugleich eine Größenschätzung.
Wenn es in unserer Betrachtung ein schlechthin Großes geben
soll, so darf die Größenschätzung nicht logisch oder mathematisch
sein, so darf es nicht der Verstand sein, der die Größe betrachtet.
Das schlechthin Große existirt nicht im logischen, sondern nur im
ästhetischen Sinn, nur für die ästhetische Größenschätzung: diese
Schätzung vollzieht nicht der Verstand durch Zahlbegriffe, sondern
die Einbildung durch ihr eigenes vorstellendes Vermögen; sie
macht ihre Anschauung zum Maßstab der Größe. Das ist der
ästhetische Maßstab, der nicht jeder Größe gewachsen ist, wie der
logische. Zeder Maßstab ist eine Größeneinheit; der ästhetische