Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

514 
Nechtslehren die Professoren der oberen Facultäten die wissen 
schaftliche Verantwortlichkeit. Sie haben die Pflicht, diese Leh 
ren zu vertheidigen; die philosophische Facultät hat die Pflicht, sie 
zu untersuchen und, wenn es die Prüfung so mit sich bringt, zu 
bekämpfen. 
Natürlich kann dieser in der Sache begründete Streit der 
Facultäten nicht durch eine freundschaftliche Uebereinkunft beige 
legt, sondern nur durch ein wissenschaftliches Resultat beendet 
werden. Es ist nöthig, daß positive Lehren sind und als solche 
öffentlich gelten; es ist nöthig, daß sie geprüft werden. Der 
Streit der Facultäten kann darum nie aufhören. 
Es ist aber von der größten Wichtigkeit, daß derselbe nie 
mals seine natürlichen Grenzen überschreitet. Sobald er es thut, 
wird er gesetzwidrig. Die Grenze der Wissenschaft ist die seinige: 
es ist ein Streit innerhalb der wissenschaftlichen und gelehrten 
Welt, er wende sich nie auf einen anderen Schauplatz; es ist ein 
Streit Gelehrter gegen Gelehrte, er nehme nie eine andere Rich 
tung. Der Streit der Facultäten gehört nicht auf den offenen 
Markt vor das Volk oder gar auf die Kanzeln: was soll das 
Volk, das man um Hülfe anruft, in der Wissenschaft entschei 
den oder gegen die Wahrheit ausrichten? Der Streit der Facul 
täten geht nie gegen Staat oder Regierung, und der Staat selbst 
darf sich nicht als Partei in einem solchen Streite betrachten, er 
wird dadurch weder betroffen noch gefährdet. Kant vergleicht 
die Universität mit einem Parlamente, dessen rechte Seite die 
oberen Facultäten, die linke dagegen die philosophische ist; so wie 
die politischen Parteien, die sich parlamentarisch bekämpfen, ver 
einigt und zusammengehalten werden durch das gemeinsame va 
terländische Interesse, so sollen auch jene wissenschaftlichen Par 
teien vereinigt sein durch das gemeinschaftliche Interesse der Er-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.