Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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Gut handeln ist? Wie gern der schlaffste Mensch 
Andächtig schwärmt, um nur — ist er zu Zeiten 
Sich schon der Absicht deutlich nicht bewußt — 
Um nur gut handeln nicht zu dürfen?" 
Und auf die Frage Saladin's, welcher Glaube der wahre 
sei, ist Nathan's positive Antwort genau dieselbe, welche die kan- 
tische Religionslehre giebt. Der wahre Glaube ist moralisch be 
dingt, nicht historisch; die verschiedenen Glaubensarten, sofern 
sie ausschließend sind, gründen sich auf Geschichte, geschrieben 
oder überliefert! Es giebt nur ein Kriterium des wahren Glau 
bens, nur eine ächte Glaubensfrucht: das sittliche Handeln. Wo 
unter den Folgen des Glaubens sich eine feindselige und eben dar- 
rum selbstsüchtige Gesinnung kundgiebt, da darf man sicher schlie 
ßen, daß der Glaube an der Wurzel verfälscht ist, und der 
Ring unächt. So lange man den Besitz eines Mittels für den 
Besitz des Zweckes hält, ist man im Religionswahn befangen und 
weit entfernt vom wahren Glauben. Der Besitz des Ringes ist 
nicht der Besitz seiner Kraft, vor Gott und Menschen angenehm 
zu machen. Das ist die Entscheidung Nathan's, die er seinem 
Richter in den Mund legt: 
„—Ich höre ja, der rechte Ring 
Besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen, 
Vor Gott und Menschen angenehm. Das muß 
Entscheiden! denn die falschen Ringe werden 
Doch das nicht können! — Nun; wen lieben zwei 
Von euch am meisten? — Macht, sagt an! Ihr schweigt? 
Die Ringe wirken nur zurück? Und nicht 
Nach außen? Jeder liebt sich selber nur 
Am meisten? — O so seid ihr alle drei
	        
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