Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

471 
*) Ebendas. III St. II Abth. - Bd. VI. S. 303 - 305. 
S. 304 Anmerkg.) 
der sich im Tode Jesu vollendet; es giebt keine höhere Bewäh 
rung des göttlich gesinnten Menschen, des radical guten Wil 
lens. Die Erscheinungen Jesu nach dem Tode, die Auferstehung 
und Himmelfahrt, gehören nicht mehr zu den Bedingungen der 
erlösenden Kraft seines Lebens. Es handelt sich hier nicht um 
ihren Werth als Thatsachen, sondern um ihren Werth als Glau 
bensobjecte ; sie sind nicht Objecte des reinen Religionsglaubens; 
die Vorstellungen sowohl der Auferstehung als der Himmelfahrt 
sind in den Augen Kant's zu materialistisch, um moralisch zu 
sein. Zu den Bedingungen der Persönlichkeit gehört weder die 
Fortdauer des Leibes noch die räumliche Gegenwart in der Welt. 
Wenn wir uns die Fortdauer derselben Person nur denken kön 
nen unter der Bedingung, daß eben derselbe Körper wieder be 
lebt wird, so nennt Kant eine solche Vorstcllungsweise „psycholo 
gischen Materialismus". Wenn das ewige Leben als gegenwärtig 
im Raume gedacht wird, so nennt Kant diese Vorstellungsweise 
„kosmologischen Materialismus". Der Auferstehungsglaube ist 
materialistisch in psychologischer Rücksicht; die Vorstellung der 
Himmelfahrt ist materialistisch in kosmologischer. 
Der Gegenstand des christlichen Glaubens ist zunächst die 
Geschichte Jesu; daher ist die christliche Religion zunächst Ge 
schichtsglaube. Genauer gesagt: das christliche Glaubensobject 
ist die Erzählung von der Geschichte Jesu, die mündliche und 
schriftliche Ueberlieferung. So ist der christliche Geschichtsglaube, 
näher bestimmt, ein Traditions- und Schriftglaube. Der Schrift- 
glaube verlangt zu seiner Bewährung und Beglaubigung geschicht 
liche Zeugnisse, die selbst wieder Geschichtsforschung und Gelehr 
samkeit voraussetzen und das meiste Vertrauen verdienen, wenn 
sie von unparteiischen Zeitgenossen herrühren*).
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.