Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

435 
Gütern der Welt in uns herrscht und im Willen das Regiment 
führt, so besteht eben darin das Böse. Nur in diesem Sinne 
sagen wir, das Reich des Bösen sei diese Welt. Der böse Wille 
begehrt kein anderes Reich als dieses, hier will er herrschen: er 
ist „der Fürst dieser Welt". Seit der ersten Sünde, d. h. ver 
möge des ursprünglichen Hanges zum Bösen, vermöge des radical 
Bösen in der menschlichen Natur, sind die Menschen Unterthan 
diesem Fürsten. 
Das Reich des Guten ist nicht von dieser Welt; das Reich 
des Bösen ist n u r von dieser Welt. So stehen sich die beiden 
Reiche vollkommen entgegen: das Gute verlangt die Wiederge 
burt und verheißt die Erlösung; das Böse verlangt die Herr 
schaft der Selbstsucht und verspricht die Reiche der Welt. 
2. Das legale Gottesreich. 
Denken wir uns ein Reich, in welchem das göttliche Gesetz 
gilt, aber nur äußerlich und zwangsmäßig, wie ein Rechtsgesetz, 
so wird ein solches Reich zwar äußerlich das Recht des guten 
Princips darstellen und behaupten, aber nicht innerlich die Macht 
des bösen Princips brechen. Wenn das göttliche Gesetz nur äußer 
lich gilt und befolgt wird, so herrschen im Innern des Willens 
die Triebfedern der Selbstliebe, die Begierde nach den Gütern 
der Welt, die Hoffnung auf Lohn, die Furcht vor Strafe, so 
dauert ungebrochen in der Gesinnung die Herrschaft des bösen 
Princips. Ein solches Reich war die jüdische Theokratie, die 
Herrschaft des Gesetzes in der Form bloß der äußeren Legalität, 
ein politisches, nicht ein moralisches Gottesreich, eden darum un 
fähig zur Wiedergeburt und Erlösung des Menschen, eben darum 
unfähig, die Macht des Bösen zu stürzen. In dem moralischen 
Gottesreiche herrscht der Glaube und die gute Gesinnung; in 
28* 
' t- , ' • ' - '
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.