Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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ten Willens, das Anziehen eines neuen Menschen, eine vollstän 
dige innere Wiedergeburt. Wenn unsere Besserung nicht gründ 
lich ist, so ist sie so gut als gar keine. Erst mit der Wiederge 
burt beginnt in uns das Gute. 
Der Begriff der Wiedergeburt, die alle Besserung im Men 
schen bedingt, ist in der kantischen Philosophie von der größten 
Bedeutung. Mit diesem Begriff ergänzt und vollendet sich die 
tiefsinnige Lehre vom intelligibeln Charakter, die wir im Laufe 
unserer Untersuchungen zweimal angetroffen haben, zuerst bei 
dem kosmologischen Probleme der Causalität, dann bei der 
Frage der moralischen Freiheit. Diese Lehre vollendet sich hier 
bei dem religiösen Problem der Erlösung. Kant würde gut ge 
than haben, wenn er gerade an dieser Stelle seine Theorie vom 
intelligibeln Charakter nachdrücklicher und bedeutungsvoller her 
vorgehoben hätte; er hat sich begnügt, bloß den Namen zu wie 
derholen, und die Sache des intelligibeln Charakters einer unver 
meidlichen Frage gegenüber im Dunkeln gelassen. 
Es ist der intelligible Charakter, der den empirischen be 
dingt. Was aus dem empirischen Charakter folgt, ist eine Zeit 
reihe von Handlungen, deren jede eine naturnothwendige Bege 
benheit ausmacht. Die Handlungen des empirischen Charakters 
sind nothwendig, der empirische Charakter selbst ist frei, er ist 
eine That der Freiheit, er ist die That des intelligibeln Charak 
ters. Also hätte der empirische Charakter auch anders sein kön 
nen, als er ist. Ist er böse, so hätte er anders sein sollen und 
können. Wie der empirische Charakter ist, so sind seine Hand 
lungen. Also hätten alle seine Handlungen, darum auch jede 
einzelne, anders sein können. Sind sie böse, so hätten sie an 
ders sein sollen und können. Gerade dieses erklärt das Gewissen 
gegenüber den schlimmen Handlungen. Auf diese Weise vereinigt
	        
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