Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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der Körperlehre einen vollkommen sicheren und sehr umfassenden 
beschreibt. So groß ist der Unterschied beider, daß sich der mathe 
matische Spielraum in der Psychologie zu dem in der Physik ver 
hält, etwa wie die Lehre von der geraden Linie zur ganzen Geo 
metrie. (Denn die Objecte der Psychologie sind nur in der Zeit, 
und die Zeit hat nur eine Dimension, sie läßt sich nur unter 
dem Bilde oder Schema der geraden Linie vorstellen.) Ohne 
Rücksicht auf diese wohlbestimmte Grenze hat in der nachkanti- 
schen Zeit Herbart den mißlichen Versuch gemacht, die Mathe 
matik auf umfassende Weise in das Gebiet der Seelenlehre einzu 
führen *). 
3. Die metaphysische Körperlehre. Materie und 
Bewegung. 
Die kantische Naturphilosophie beschränkt sich demnach auf 
die metaphysische Körperlehre. Nun setzen alle Erscheinungen der 
Körperwelt ein Dasein im Raume voraus, das ihnen zu Grunde 
liegt; dieses beharrliche Dasein ist die Substanz der Körperwelt 
oder die Materie. Nach Abzug der Materie sind die räumlichen 
Erscheinungen nichts als geometrische Größen. Es ist die Ma 
terie, die ihnen den körperlichen Bestand giebt; es ist also die 
Materie, wodurch sich die physikalischen Körper von den geo 
metrischen, die Objecte der Naturwissenschaft von denen der Mathe 
matik unterscheiden. Und so läuft das ganze Problem der philo 
sophischen Naturwissenschaft oder der metaphysischen Körperlehre 
auf die Frage hinaus: was kann von der Materie oder der kör 
perlichen Natur erkannt werden durch reine Begriffe? 
Die Materie ist nur in ihren Erscheinungsformen erkennbar. 
Ihre Erscheinungsform ist die Art, wie sie sich äußert oder wahr 
*) Metaph. Anfangsgründe. Vorr.—Bd. VIII. S. 445. 46.
	        
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