Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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*) Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft. Vorr. — 
Gesammtausgb. Bd. VIII. S. 444. 
rein oder a priori sind, so müssen wir behaupten, daß die Na 
turwissenschaft nur so weit rein ist, als sie mit der Mathematik 
zusammenfällt, oder wie sich Kant ausdrückt: „daß in jeder be 
sonderen Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft angetrof 
fen werden könne, als darin Mathematik anzutreffen ist*)." 
Nun aber sind die Naturerscheinungen nicht bloß mathema 
tische Größen. Es ist etwas in ihnen enthalten, das sich niemals 
construiren läßt, nämlich ihre Materie im Unterschiede von der 
Form: ihr Dasein selbst, das zwar in unserer Anschauung ge 
geben, aber nicht durch dieselbe gemacht ist. Vermöge ihres Da 
seins, ihrer von außen gegebenen Existenz, sind die Naturerschei 
nungen nicht bloß Figuren, sondern Dinge. Den Begriff von 
einem Dasein können wir nicht construiren, sondern nur denken 
oder durch Erfahrung erkennen. Aus diesem Grunde ist die reine 
Naturwissenschaft nicht bloß Mathematik. Es ist etwas in der 
Naturerscheinung, das in die Construction nicht aufgeht, das nicht 
durch Anschauung, sondern durch Begriffe erkannt sein will. 
Entweder also giebt es überhaupt keine reine Naturwissenschaft, 
oder diese will nicht bloß durch Anschauung, sondern durch Be 
griffe gebildet sein. Die Erkenntniß durch Begriffe ist die philo 
sophische im Unterschied von der mathematischen; sie ist näher 
bestimmt die metaphysische. Reine Naturwissenschaft ist deßhalb 
Metaphysik der Natur. Ihre Frage heißt: was kann von der 
Natur erkannt werden durch den reinen Verstand oder durch 
reine Begriffe? 
Die Kritik hat gezeigt, daß es eine Metaphysik der Natur 
giebt. Es ist jetzt die erste Aufgabe des Systems, diese Wissen 
schaft auszubilden und den Inhalt der naturphilosophischen Er-
	        
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