Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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fett. Aber nicht jede bürgerliche Verfassung enthält die zur Frie 
densdauer nöthigen Bedingungen in sich; nicht jede schließt die 
Uebel von sich aus, die den Krieg begünstigen und erzeugen. 
Wenn in einem Staate unabhängig von dem Interesse aller das 
Interesse und der Wille eines Einzigen herrscht, da wird persön 
licher Ehrgeiz, Eroberungslust, Staatsklugheit stets zum Kriege 
bereit sein. Wenn in einem Staate die regierende Gewalt zu 
gleich die gesetzgebende ausmacht, so kann hier in dem einseitigen 
Interesse der regierenden Gewalt ein Krieg unternommen werden. 
In beiden Fällen giebt die bürgerliche Verfassung keine Garantie 
gegen einen ungerechten Krieg, viel weniger eine für die Dauer 
des Friedens. Es folgt, daß nur eine solche Verfassung den 
ewigen Frieden verbürgt, in welcher erstens die gesetzgebende Ge 
walt bei den Repräsentanten des Volks und zweitens die regie 
rende Gewalt von der gesetzgebenden getrennt ist. Die Erfüllung 
der ersten Bedingung macht die repräsentative, die der zweiten 
die republikanische Verfassung. Wo gesetzgebende und regierende 
Gewalt zusammenfallen, da nennt Kant die Verfassung „despo 
tisch". In der demokratischen Staatsform fallen beide Gewalten 
natürlicherweise zusammen, darum ist bei Kant die Demokratie 
so wenig republikanisch, daß er sie vielmehr für eine despotisch 
und zwar nothwendig despotische Verfassung erklärt. Die beste 
und dem Völkerfrieden günstigste Verfassung wird darum diejenige 
sein, in welcher die gesetzgebende von der regierenden Gewalt der 
gestalt getrennt ist, daß die Träger der ersten so viele als mög 
lich, die Träger der anderen so wenige als möglich sind, das 
Personal der gesetzgebenden Gewalt den möglich größten, das der 
regierenden den möglich kleinsten Umfang hat: die repräsentative 
oder constitutionelle Monarchie. 
Wenn sich die Völker in einer solchen bürgerlichen Verfass
	        
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