Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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brüchige, der mit dem letzten Aufwande von Kraft dem Unglücks 
gefährten das letzte Rettungsmittel entreißt. In der Vereinigung 
von Recht und Zwang besteht das enge Recht („jus strieturn“), in 
der Trennung beider das weite („jus latum“). Recht ohne Zwang 
ist Billigkeit, Zwang ohne Recht ist Nothwehr; der Sinnspruch 
der Billigkeit heißt : „das höchste Recht ist das höchste Unrecht 
(surnrnurn jus summa injuria);“ der der Nothwehr: „Noth 
kennt kein Gebot (necessitas non habet legem).“ Kant nennt 
dieses weite Recht ein zweideutiges, weil sich hier über die Na 
tur des Rechts das moralische und juristische Urtheil trennen*). 
Der Inbegriff aller Rechtspflichten läßt sich in folgende drei 
einfache Vorschriften zusammenfassen: „wahre dein persönliches 
Recht, verletze kein fremdes; befördere, so viel an dir ist, die 
Gerechtigkeit, die jedem das Seine sichert!" Kant vergleicht 
diese Formeln mit den bekannten Sätzen Ulpians: „honeste vive, 
neminem laede, suum cuique tribue**)!“ 
4. Privates und öffentliches Recht. Ursprüngliche 
und erworbene Rechte. 
Das Rechtsverhältniß ist nur zwischen Personen möglich. 
Nun können sich Personen zu einander verhalten entweder als ein 
zelne zu einzelnen oder als Glieder eines Gemeinwesens. Als 
Privatpersonen bilden sie die natürliche, als Glieder des Gemein 
wesens die bürgerliche Gesellschaft. So wird sich auch das Rechts 
verhältniß in ein privates und öffentliches (bürgerliches) unter 
scheiden. Das Privatrecht umfaßt diejenigen Rechte, die inner- 
*) Ebendas. §. E. Anhang zur Einl. in die Rechts!. Vom zwei 
deutigen Recht (jus aequivocum) I u. II. 
**) Ebendas. Eintheilung der Rechtslehre. A. Allgem. Einth. der 
Rechtspflichten.
	        
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