Volltext: Kant's System der reinen Vernunft auf Grundlage der Vernunftkritik [4. Band. Zweite rev. Auflage] (4,2 / 1869)

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Wohl; seine Willensrichtung ist die Selbstsucht, er selbst ist der 
erste und vorzügliche Gegenstand seines Wohlwollens, der erste 
und vorzügliche Gegenstand seines Wohlgefallens: dieses Wohl- 
wollen ist Selbstliebe, dieses Wohlgefallen Eigendünkel. Die 
Selbstsucht in der Form der Selbstliebe und des Eigendünkels 
bildet den Charakter der rein sinnlichen, von dem Sittengesetze 
nicht ergriffenen und geläuterten Denkweise. Nun lebt in dem 
selben Subjecte, welches so natürlich, sinnlich und selbstsüchtig 
empfindet, die Vorstellung des Sittengesetzes. Diese Vorstellung 
muß auf die menschliche Selbstliebe einen Einfluß ausüben, der 
ihre Empsindungsweise ändert. Eine Veränderung aber, die in 
der Empfindung vorgeht, muß selbst empfunden werden. Es 
läßt sich mithin unabhängig von aller Erfahrung so viel erkennen, 
daß die in dem sinnlichen Vernunstwesen lebendige Vorstellung 
des Sittengesetzes auf dessen Empfindungen einfließt und darum 
selbst Empfindung bewirkt: diese so bewirkte Empfindung, welche 
es auch sei, ist a priori erkennbar. 
Das Sittengesetz wirkt vernichtend auf die Selbstsucht, ein 
schränkend auf die Selbstliebe, niederschlagend auf den Eigen 
dünkel. Diese Wirkung, weil sie in der Empfindung stattfindet, 
wird selbst empfunden; sie wird in Rücksicht der Selbstsucht ne 
gativ , in Rücksicht des Sittengesetzes positiv empfunden: negativ 
als verminderte Selbstliebe, als herabgedrückter Eigendünkel, 
positiv als etwas, womit verglichen das liebe Ich in nichts ver 
schwindet. Was meine Selbstliebe sinken macht, das ist eben 
dadurch ein Gegenstand meiner Achtung. Nur das Gesetz in sei 
ner absoluten Geltung kann diesen Eindruck auf die Selbstliebe 
machen: es ist die einzige Macht, mit der verglichen die Selbst 
liebe unendlich klein wird. Die Achtung vor dem Gesetz ist daher 
das positive Gefühl, das die Vorstellung des Sittengesetzes noth-
	        
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