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daß. zwar einzelne Reiterabteilungen in die Stadt eingedrungen
waren, der beabsichtigte Handstreich aber nicht voll geglückt
war. Nun war die erste große Maassestung in deutscher
Hand, noch während die Aufmarschtransporte mit kurzer
Zugfolge nach den Grenzen rollten. Die Freude in Deutsch¬
land war ungeheuer. Stürmischer wurden die Militärtransporte
überall begrüßt, herzlicher war — wenn dies überhaupt noch mög¬
lich war — der Empfang auf allen Bahnhöfen; noch reichlicher
flössen die an und für sich schon überreichen Liebesgaben. Hatte
irgendwo vorher ein Kleinmütiger gezweifelt, ob der deutsche Soldat
das auf ihn gesetzte Vertrauen in dem Riesenkampfe rechtfertigen
würde, jetzt war es mit einem Schlage klar, und alle Bedenken
waren geschwunden: Die deutschen Söhne würden Unerhörtes
draußen leisten; sie würden Sieger bleiben gegen eine Welt von
Feinden. Jeder im Vaterlande sah die Freudenbotschaft als glück¬
verheißend für den ganzen weiteren Verlauf des Feldzuges an.
Unsere Feinde versuchten aus leicht begreiflichen Gründen mit
allen Mitteln, uns den Erfolg zu verkleinern und dem deutschen
Volke die Freude an dieser kühnen Waffentat zu nehmen. Die
Franzosen wagten zu diesem Zwecke zu behaupten, daß wir nicht
weniger als 20 000 Mann vor Lüttich verloren hätten. Der
Generalquartiermeister sah sich infolgedessen später veranlaßt, amt¬
lich bekannt zu geben, daß wir „mit nur sechs schwachen Friedens¬
brigaden, etwas Kavallerie und Artillerie Lüttich genommen hatten.
In Lüttich wurden die Regimenter erst mobilgemacht und erhielten
als Verstärkung ihre eigenen Ergänzungsmannschaften. Unsere
Gegner wähnten bei Lüttich 120000 Deutsche, die den Vormarsch
wegen Verpflegungsschwierigkeiten nicht antreten konnten. Sie
haben sich geirrt!" Diese falschen Berechnungen bei unseren Fein¬
den sind eine sich oft wiederholende Erscheinung geblieben. Sie
haben immer gehofft, gefabelt und prophezeit; allzu schnell zer¬
stoben meist ihre Luftschlösser wie Seifenblasen. Um so tiefer war
der Eindruck der deutschen Erfolge auf die Ententevölker, als
die Wahrheit allmählich auch bis zu ihnen durchsickerte. Lüge und
Phantasie können nicht Wirklichkeitswerte schaffen, wenn auch
Tausende Leichtgläubiger sie zunächst für bare Münze nehmen.