Volltext: Icones zootomicae

ERLÄUTERUNG DER TAFELN. 
ERSTE TAFEL. 
Die erste Tafel ist bestimmt, die analoge Zusammensetzung des Schädels der Wirbeltliiere zu erläutern. Man sieht, wie vom 
Menschen- bis zum Fischschädel die einzelnen Abtbeilungen und Knochen nach einem gewissen, gleichinässigen, wenn auch variiren- 
den Schema componirt sind. Namentlich tritt dies heraus, wenn man die im Fötus nnd Jugendzustande vorhandenen, aber vorüber¬ 
gehenden Abtheilungen in den einzelnen Schädel-Knochen der höheren Wirbelthiere (Säugethiere und Yögel) mit den beharrlichen 
Bildungen der niederen (Amphibien nnd Fische) vergleicht. 
Des Mangels an Raum wegen konnten von Amphibien und Fischen nur der Schädel der Schildkröte und des Karpfen aufge¬ 
nommen werden. Es sind daher andere Schädelformen auf späteren Tafeln hiermit zu vergleichen; alle einzelnen Schädelknocben sind 
dnrch dieselben Ziffern auf dieser und auf späteren Tafeln bezeichnet. Bei den mannichfach abweichenden Ansichten über die 
Bedeutung und Analogie der Schädelknocben bei den niederen Wirbelthieren, war es einiger Schwierigkeit unterworfen, eine bestimmte 
Deutung zu wählen. Es ist hier diejenige beibehalten worden, welche im Lehrbuche der vergleichenden Anatomie vom Verfasser 
angenommen ist, und welche am meisten mit der Mkckei.'seilen übereinstimmt, Die Synonyme von Cuvier und Bojanus finden 
sich dort beigefügt. In neuerer Zeit hat man, namentlich durch den Einfluss der Entwickelungsgeschichte, angefangen, mehrere 
Schädelknochen bei den unteren Wirbelthieren als selbstständige, beim Menschen und den Säugethieren keine Analogie findende 
Knochenstücke zu betrachten. Es ist jedoch hier mit Bedacht die Ansicht festgehalten worden, die Analogie, so weit sie irgend 
thunlich ist, im MECKEi/'schen Sinne, durch die vier Classen hindurchzuführen. Diese Auffassung ei'leichtert dem Anfänger das 
Studium der vergleichenden Osteologie ungemein, während er durch die Controversen aus der Entwickelungsgeschichte nur verwirrt 
wird. Hat man einmal die ältere Bezeichnung, wie sie von den Gründern der Wissenschaft gewählt wurde, kennen gelernt, so 
lassen sich andere Anschauungsweisen, die bis jetzt doch immer noch eben so subjectiv bleiben, als die früheren, leicht anfügen. 
ZWEITE TAFEL. 
Die zweite Tafel giebt ein anschauliches Bild von den relativen Formen Verhältnissen des menschlichen Schädels und dem 
der höheren Affen. Es wurden für diese Darstellung die interessantesten mir zugänglichen Originale und die besten neueren Abbil¬ 
dungen ausgewählt. Da sämmtliche Schädel anf ein Dritttheil der natürlichen Grösse reducirt sind, so gestatten sie eine gleich- 
mässige Yergleichung und es ist bei dieser Grösse der Figuren noch eine hinreichende Ausführung der Details möglich gewesen. 
Oben auf, Fig. I, ist ein sehr charakteristischer Schädel derjenigen Menschenrace dargestellt worden, welche am niedrigsten steht 
nnd in der Schädelbildung am meisten Thierisches hat. Zur Yergleichung steht gegenüber, Fig. II, der Schädel der am höchsten 
organisirten Affenart, des Schimpanse1; Fig. III und IV gehen dieselben Schädel von oben, in der Vogjelperspective. Obwohl der 
Schimpanse die dein Menschen am nächsten stehende Affenart ist, so zeigt sich doch auf den ersten Blick die grosse Differenz: der 
kleinere Schädeltheil mit stärkeren Muskelansätzen, die vorspringenden Augenbraunbogen, die starken Eckzähne, die durch dieselben 
hervorgerufene Lücke in der Zahnreihe, der höhere und stärkere Unterkiefer, die mehrfachen statt eines 
einfachen u. s. w, Bildungen, welche zum Theil auch beim Orang-Utang wiederkehren. Fig. Y ist ein sehr interessanter Schädel 
eines Blödsinnigen, nach Owen dargestellt, der durch seine vollkommene Zahnbildung sich sehr gut zur Yergleichung mit den übrigen 
Schädeln eignet2. Fig. YI zeigt den Profildurchschnitt eines sehr wohlgebildeten Schädels eines Deutschen, dessen geräumige Höhle 
eine interessante Yergleichung mit der Cavität im erwachsenen Orang-Utangschädel (Fig. X) zulässt. Fig. YII ist der Schädel eines 
1 Das Exemplar dieses Schädels, nach einer vortrefflichen Figur von Blainville, scheint das einzige von einem erwachsenen Thiere dieser seltenen Affen¬ 
art zu sein, das sich in den Museen Europas befindet, obwohl die Beschaffenhèit der Zähne noch kein hohes Alter verräth. Jedenfalls ist der Schädel von einem älteren 
Thiere als das von Owen in zool. transact. Vol. I. abgebildete, von welchem auf Tab. III das ganze Skelet gegeben ist. 
2 Seitdem mir das BuuMENBACH'sche Museum zugänglich geworden ist, habe ich den merkwürdigen Schädel eines Idioten verglichen, den Blumenbach 
in seiner Schrift: de anomalis et vitiosis quibusdani nisi formativi aberrationibus, Goett. 1813, 4to, leider nicht in einer reinen Profilansicht, abbildete. Dieser Schädel 
ähnelt in der Configuration, mit Ausnahme des Gesichtstheils, namentlich in der Entwicklung der Augenbraunbogen, der bogenförmigen Leisten zum Ansätze des 
,Schläfemuskels u. s. w., viel mehr dem hier abgebildeten Schimpanseschädel, als der Fig. Y gegebene. Auch die Kiefer prominiren sehr; die Zähne sind aber schlecht 
erhalten. Die Nasenbeine sind doppelt und sehr stark entwickelt, so dass hier keine Affenähnlichkeit besteht, während dagegen zwischen Schneide- und Eckzahn aller¬ 
dings eine Lücke vorhanden ist.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.