Volltext: Katechismus des Knabenhandarbeits-Unterrichts

Gründe für den Arbeitsunterricht. 5 
In der Entwicklungsgeschichte der Menschheit sehen 
wir nun den großen erzieherischen Wert der Arbeit am 
deutlichsten. An welchem Punkte der EntWickelung würde 
sich heute unsere Kultur befinden, wenn unsere Vorfahren 
sich nur mit der Anschauung der sie umgebenden Welt be- 
gnügt hätten? Was wüßten wir von der Natur und den 
Gesetzen ihrer Erscheinungen, wenn wir sie nur angeschaut 
hätten? Wir müssen in die Stoffe eindringen, sie be- 
arbeiten, wenn wir ihre Eigenschaften kennen lernen wollen. 
Was wüßten wir über die Struktur des Holzes, über seine 
Schwere, seine Schwimmfähigkeit, seine Spaltbarkeit, seine 
Brennbarkeit u. s. w., wenn wir uns darauf beschränkt 
hätten, die Bäume mit dem Auge wahrzunehmen? 
Aus welcher Entwicklungsstufe würde die Heilwissenschaft 
stehen, wenn es keine Anatomie gäbe? Darum ist die 
Arbeit das wichtigste Erziehungsmittel für die Mensch- 
heit gewesen, durch sie hat dieselbe ihre Erfahrungen 
gesammelt. Der Arbeitsunterricht ist nun nichts anderes, 
als die pädagogische Anwendung jenes Gesetzes von der 
Wiederholung der Stammesentwickelung durch das Jndi- 
viduum. Wir wollen das Kind durch die praktische Arbeit 
ebenso erziehen, wie die ganze Menschheit an ihr groß 
geworden ist. Es kommt darauf an, das Kind allmählich 
durch seine eigene Arbeit in die Welt der praktischen Er- 
fahrung einzuführen, ihm die Eigenschaften verschiedener 
bildbarer Stoffe durch eigene Beobachtung kennen und die 
einfachen Werkzeuge durch eigenen Gebrauch handhaben zu 
lehren. Das Kind soll weder für den Erwerb arbeiten, 
noch auch für ein bestimmtes Handwerk vorgebildet werden, 
sondern es soll vielmehr die Elemente der Arbeit durch 
eigenes Thun kennen lernen, indem wir es, gemäß der 
EntWickelung seiner physischen und geistigen Kräfte, nach 
einander in wichtige Arbeitsgebiete einführen. 
Aus ganz dem gleichen Gesetze des Parallelismus der 
EntWickelung des Stammes mit dem Einzelwesen folgt auch 
die Notwendigkeit, die Hand des Kindes gerade um seiner
	        
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