Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges. 2 (II. / 1930)

richtigen Geleise 
gebrachten In¬ 
nervationen sehr 
häufig durch 
einen erneuten 
psychischen 
Schreck wieder 
in die richtige 
Bahn zurückge¬ 
bracht werden, 
empfiehlt Kauf¬ 
mann: 1. sugge¬ 
stive Vorberei¬ 
tung (Betonung 
dessen, daß die 
Behandlung 
zwar schmerz¬ 
haft ist, daß 
aber die Heilung in einer Sitzung sicher und dauernd sein wird) ; 
2. Anwendung kräftiger Wechselströme unter Zuhilfenahme von reich¬ 
licher Wortsuggestion (die durch den Strom verursachten Schmerzen 
müssen empfindlich sein, Elektrisieren und Übungen wechseln mitein¬ 
ander ab); 3. strenges Einhalten der militärischen Formen unter Be¬ 
nützung des gegebenen Subordinationsverhältnisses und Erteilen der 
Suggestionen in Befehlsform (scharfes Anpacken des Patienten, scharfe 
militärische Kommandos »wie auf dem Kasernenhof«) ; 4. unbeirrbar 
konsequente Erzwingung der Heilung in einer Sitzung. 
Man weiß, wie getreu diese Vorschriften befolgt wurden. Bezeichnend 
dafür ist ein von Dr. Magnus Hirschfeld angeführter Fall, in dem ein 
sadistisch veranlagter Soldat jede Gelegenheit gierig wahrnahm, 
einer solchen Sitzung beiwohnen zu können. Obgleich das Verhältnis 
zwischen Arzt und Patient in allen Heeren im Durchschnitt das gleiche 
war, scheinen die Ratschläge Kaufmanns und die Praxis bei sehr vielen 
Militärärzten, besonders in Österreich, eifrige Anhänger gefunden zu 
haben. Der Psychoanalytiker und Literat Fritz Wittels schreibt in seinem 
witzigen Kriegsroman »Zacharias Pamperl« über die Nervenärzte in 
Wiener Militärspitälern: 
Diese Herren verwendeten Elektrisiermaschinen, wie man sie in 
Amerika gegen Raubmörder in Gebrauch hat, und kitzelten den Vater¬ 
landsverteidiger, bis ihm kein Ausweg mehr blieb, als Selbstmord oder 
Rückkehr ins Feuer. Sie spritzten auch Brechmittel ein, daß man die 
Seele aus dem Leibe spie und den Tod fürs Vaterland einem solchen 
Zeichnung von George Grosz in »Gesicht der herrschenden Klasse« 
71
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.