Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges. 2 (II. / 1930)

schickt mich das Vaterland hinaus und läßt mich zum Krüppel 
schießen. Und weil ich ein Krüppel bin, hat meine Frau den gesetz¬ 
lichen Ehescheidungsgrund. Das hatte ich vergessen, daß die Welt so 
eingerichtet ist . . . Und was willst du tun . . . ich meine mit Grete? 
Paul Großhahn: Was geht das dich an? 
Hinkemann: Du hast recht. Eigentlich geht es mich nichts an. Ich 
bin ein gesetzlicher Ehescheidungsgrund, so wie ich da sitze . . .7). 
Wie wenig sich die Kriegsmentalität auf die tatsächlichen Bedürfnisse 
einzustellen verstand, beweisen auch die Forderungen, die im Zusammen¬ 
hang mit der Invaliditätsfrage an die Frauen gestellt wurden. Man hielt 
es für durchaus natürlich, daß Frauen, ihr Leben lang an verstümmelte 
Männer gekettet, sich zu einem opferreichen und entsagungsvollen Leben 
bereit finden würden. (Gerade bei ihnen sollte nicht nur der Geist willig, 
sondern auch das Fleisch frei von aller Schwäche sein!) Eine Zeitlang 
schien es, als wären alle Nöte des Krieges aus der Welt geschafft, sobald 
man nur darüber beruhigt sein konnte, daß die heimkehrenden Invaliden 
und Kriegskrüppel nicht unbeweibt blieben. Man sah in dieser Selbstauf¬ 
gabe des eigenen Glückes eine patriotische Pflicht der Frau, deren Selbst¬ 
verständlichkeit keiner näheren Begründung bedurfte. Man predigte sie 
den Frauen aus Zeitungsspalten und von Kirchenkanzeln herab (so der 
ungarische Erzbischof Johann Csernoch schon im zweiten Kriegsmonat) 
und erzeugte künstlich eine Modeströmung, die allerdings nach dem ersten 
54
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.