Ein Geschenk vom Militär
Zeichnung von M. Dufet in
»Le Sourire de France«, 1917
so wird die Häufigkeit, mit der wir ihnen in der
Literatur begegnen, begreiflich. Allerdings
scheint sich die Dichtung weit mehr als die Wis¬
senschaft mit dem Problem der Entmannung im
Kriege beschäftigt zu haben. Ein durch Trans¬
plantationsexperimente bekanntgewordener Fall
wurde von Dr. Robert Lichtenstern mitgeteilt1).
Der Fall betrifft einen 29jährigen Gefreiten,
der am 13. Juni 1915 bei einem Sturm durch
einen Gewehrschuß in den linken Oberschen¬
kel verletzt wurde. Das Geschoß war ein Ex¬
plosivgeschoß, das nach Angabe des Mannes
nach dem Austritt aus dem Oberschenkel explodierte und den Hoden¬
sack, beide Hoden und die Urethra schwer beschädigte. Der Kranke ging
in seinen Unterstand zurück, blieb dort eine Zeitlang liegen, wurde
später auf den Hilfsplatz getragen, verbunden und von da in ein Kriegs¬
lazarett gebracht. Er bemerkte, daß beim Urinieren der größte Teil des
Harns sich durch die Wunde im Hodensack entleerte und nur ein
geringer Teil auf normalem Wege ausgeschieden wurde. Im Lazarett
wurde eine Zertrümmerung und Gangrän beider Hoden und Verletzung
der Urethra festgestellt. Am nächsten Tage wurden wegen hohen Fiebers
und drohender Allgemeininfektion beide gangränösen Hoden entfernt.
Wenige Tage nach der Ent¬
fernung der Testikel schwand
das Fieber und die Eiterung
nahm ab, der Kranke urinierte
fast den ganzen Harn durch
die perineale Wunde. Es be¬
darf wohl kaum eines Hinwei¬
ses, daß seine sexuelle Libido
infolge der Verletzung anfangs
stark herabgesetzt war, immer¬
hin hatte er in den ersten zwei
Wochen bei erotischen Gesprä¬
chen seiner Nachbarn zweimal
Erektionen.
Als er am 7. Juli 1915 in die
chirurgische Abteilung des
Wiener Lazaretts auf genom¬
men wurde, ergab sich folgen¬
der Befund: »Ich danke schön! Wenn man sich seine Verwundeten
nicht einmal aussuchen kann, da tue ich nicht mit!«
»Großer, kräftiger Mann, die Zeichnung von R. Herrmann in »Glühlichter«, 1914
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