Volltext: Sittengeschichte des Weltkrieges. 2 (II. / 1930)

Russische Kinder spielen Soldaten 
Photo aus „Solnze Rossij“, Petrograd 1915 , 
wurde. Nichts lag näher, als ein 
Gleiches auch hei den Kindern 
zu versuchen. Man erachtete es 
für angebracht, Erziehungswesen 
und Unterricht auf zeitgemäße 
Grundlagen zu stellen. Ein Ver¬ 
such, dem wir Weisungen an 
deutsche Schulbehörden, „Be- 
Strebungen, der künftigen Ver¬ 
söhnung der Kulturvölker vor¬ 
zuarbeiten, keinen Raum zu 
gewähren2")“, ferner Früchte, wie 
ein „Kriegslesebuch über den 
Krieg 1914“ (von Dr. Alfred 
Wünsche), eine Sammlung von 
Zeitungsausschnitten über mas¬ 
senmörderische Heldentaten und ernstgemeinte Abhandlungen, wie 
„Die vaterländische und militärische Erziehung der Jugend 23)“ verdan¬ 
ken, deren eingestandener Zweck es war, die Kinder zu tapferen Sol¬ 
daten zu erziehen. Natürlich war es damit auch in den anderen Ländern 
nicht anders bestellt. Im „Matin“ 24) liest man im zweiten Kriegsjahr 
einen Aufruf an die Lehrer, worin sie aufgefordert werden, eine Samm¬ 
lung von Bildern über deutsche Greueltaten für jede Schule anzuschaf¬ 
fen, um die Grausamkeit der Barbaren ihren Zöglingen für immer ein¬ 
zuprägen. Die Sammlung, deren Anschaffung jedem Lehrer förmlich zur 
Pflicht gemacht wird, enthält Darstellungen ausgesprochen sadistischer 
Szenen von Domergue, auf die wir noch zurückkommen werden und 
von denen der Leser einige im vorliegenden Werke wiedergegeben fin¬ 
det. Sicherlich hatten auch diese Bestrebungen oft Erfolg. In einem 
französischen Werk über die Sitten der Kriegsjahre 25) lesen wir: 
Als der Vater seine Erzählung mit den schlichten Worten schloß: 
„Und dann machte ich dem Boche den Garaus,“ saßen wir alle still 
vor Erstaunen und vielleicht auch ein wenig Entsetzen; der jüngste 
Knabe aber, der von neun Jahren, lachte laut vor Vergnügen und 
stieß einen kurzen wilden Schrei aus, den ich kaum wieder in meinem 
Leben vergessen werde. 
Ebensooft aber scheint der Versuch, die Kinderseele durch Kriegs¬ 
propaganda zu verseuchen, fehlgeschlagen zu haben. Unvergeßlich bleibt 
in Gläsers Kriegsroman, der zur Gänze dem Problem der in den Kriegs¬ 
jahren heranwachsenden Jugend gewidmet ist, der Ausspruch des fran¬ 
zösischen Jungen: „La guerre ce sont nos parents — der Krieg, das sind 
unsere Eltern“. Und ebenso köstlich ist es, wie der jugendliche Held 
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