Volltext: Walter von Molo (Heft 8 / 1927)

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und unerschwinglichen Abgaben drücken; ad io verlangt die Kontribution, 
daß der Adel, dann höhere Staatsbeamte, Großhändler, Wechsler und 
Fabrikbesitzer 15 fl. als Abgabe entrichten. — 15 fl.! Im ganzen Haus 
ist nicht die Hälfte, und vor neunzehn Jahren haben wir, das heißt 
mein seliger Herr Vater, Kaiser Joseph drei Millionen — Gold 
gulden geschenkt, für die Münze, die kein Gold hatte! Dieser kleine 
Leutnant mit der Plebejerstirn hat die Zeiten geändert! — Noch immer 
geht das Kämpfen weiter und das Schießen, meine Frau sitzt im Winkel 
und weint, und das Kind schreit. Ich muß sehen, ob ich Brot bekommen 
kann. 
Dienstag, den 23. Mai 1809. 
Dem Herrn fei Dank! — Er ist geschlagen; in langen Zügen 
kommen Blessierte. Die ganze Alservorstadt ist ein Spital. Der Herzog 
von Montebello ist tot, gefallen, mit mehr als 40.000 Franzosen. Napo 
leon soll geweint haben! Recht so, auch er soll wissen, wie Tränen sind, 
wie sie schmerzen und drücken! Auch er soll merken, daß er trotz allem 
nur ein Mensch ist! Nun trägt sich der Hunger leichter; ich hab' mein 
armes Weib umschlungen und geküßt, viele Male, wie seit langem 
nimmer, und dann haben wir mitsammen geweint. — Fieberhaft arbeiten 
sie an der Herstellung der zerrissenen Brücke in die Lobau; die Donau 
ist hoch angeschwollen, warum nützen die Oesterreicher nicht den Sieg? 
Alles, was zum Schanzen helfen kann, Klampfen, Bauholz, Ketten und 
Zillen, wird in Requisition genommen und abgeführt. — Von meinem 
Bruder habe ich keine Nachricht, kann sie nicht haben, und doch sagt 
mir eine Ahnung, daß er geblieben ist, daß er das Schicksal meines 
Bruders Franz und meines Onkels Walter geteilt hat, die bei Günz- 
burg sielen. Der Herr geb' ihnen die ewige Ruh, sie haben genug getan, 
wenn sie ihm Schaden zufügten, wenn sie ihm Helfer erschlugen. Man 
wird kurz im Sprechen über Leben und Tod, wenn man in solchen Zeit 
läufen lebt und haßt, wie ich!—Ich muß sehen, daß ich Arbeit sinde, 
sonst verhungern die Meinen, trotz allem Siegen. Des Nachts um Zweie 
stellte ich mich vor dem Bäckerladen auf, um ein wenig Brot zu er 
kämpfen. Was wir nicht unbedingt zum Leben brauchen, wird schnell, 
unter der Hand, weiter verkauft, denn es ist großer Mangel, weil keine 
Zufuhr ist. Von dem Erlös leben wir; so bin ich vom Seidenfabrikanten 
und Großhändler zum Brottäuscher geworden. Wer kann wissen, was 
morgen mit ihm ist? — Ich habe von 8 Uhr früh bis in den späten 
Abend gearbeitet — für die Franzosen, damit ich nicht Hungers sterbe 
und nicht muß betteln gehen; ich habe geholfen, ihre Toten begraben, 
man dingt allenthalben dazu die Leute, sie zahlen nicht schlecht, und es 
ist die einzige Arbeit, die ich gern für die Fremden tue. Der Tod ist 
fleißig gewesen. — Wenn man die langen stillen Züge der Leichen 
kommen sieht, begreift man, warum die Franzosen nun mit uns völlig 
verändert sind. Früher ein gewisses geistesverwandtes Entgegenkommen 
der Sieger, nun feindseliges, gereiztes und im Stolz empsindlich ge 
troffenes Haffen! Auch in Privathäusern bringen sie schon ihre Ver-
	        
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