Volltext: Walter von Molo (Heft 8 / 1927)

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W alter: von Molo 
ba, von der ,großen' Maria Theres? Hat sie noch nicht genug von Leuthen?" 
— „Dem Friderirus soll sie unser Fieber schicken; dann hat sie ihn bald 
am Boden!" —„Hat der Herr Herzog endlich Sold geschickt — für 
zwei Mann?" 
„Halt' Er Sein Maul und kämm' Er sich die Läuse aus Seinem Zopf! 
Ein Schwein hat Gardemontur gegen Ihn! Wenn Er kein neues Hemd 
hat, wasch' Er sich die Aermel!" 
„So schönen Haarpuder wie der Herr Fähndrich haben wir sreilich nit, 
und weiße Handschuhs dürfen wir nit tragen, wie der Herr Fähndrich! 
Der Herr Fähndrich hat den Medikusrock anziehen dürfen; das ist 
Avancement vor Ihn; wir verrecken!" 
„Soll ich euch sterben lassen, weil der Medikus starb? Der Mann 
darf sich nicht ehender geben, eh' er am Boden ist. Wo die Offizieres 
tot oder malade sind, müssen wir selber auf Ordnung halten! Räsonnieren 
hilft nichts! Ich mach' euch den Medikus, so gut ich kann, nach Wissen 
und Gewissen. Ihr braucht nicht zu verzagen, so ihr mir folgt! Ihr 
folgt nicht! Hab' ich euch nicht verordnet, daß ihr Glühwein trinken 
sollt, gegen den Darmlauf? Und rennen müßt in frischer Luft? Warum 
tut ihr's nicht? So müßt ihr laufen, wie ihr aus dem Sagfchützer 
Kiefernbufch davongelaufen seid, vor den Zietenfchen Husaren!" 
„Die in der Bataille gefangen worden, Herr Fähndrich, die haben's 
besser; die haben jetzt Lazarett und Brot! Ich hätt' auch mein Gewehr 
auf die Erde geschmissen, wenn ich's richtig überdacht hätt' . ." 
„Wills nicht gehört haben, was Er sagt!" Fähndrich Schiller wandte 
sich. „Musketiers, in Postelberg liegt ein Fäßle Wein, gespendet von 
einem unsres Glaubens; das müßt ihr mir einholen! Hallotria könnt ihr 
treiben unterwegs, soviel ihr wollt, ich geb' euch Urlaub für den Tag! 
Raus aus dem stinkigen Loch! Raus! Alle! Vorwärts!" Der Stock 
drohte. 
„Daß dich's Mäusle beiß? . ." 
„Einen Wein hat er?" 
„Juchhe!" 
Das Trappeln der zerrissenen Soldatenfchuhe verklang in der Dorf 
straße. Der Fähndrich riß die Fenster auf, daß die schwere Kälte reinigend 
einsiel. Weit vorgeneigt, mit wägendem, väterlichem Zug sah er den 
abgemagerten armen Teufeln nach, wie sie mit ihren vom Schmutz ver 
färbten Gamaschen im Schnee in der Ferne stelzten und humpelten. Er 
nickte ernst vor sich hin. 
„Hat niemand gedacht, daß der Friedrich im Winter die Campagne 
macht! . . So arg verhandeln hätt' uns der Herzog nicht brauchen an 
Frankreich und Oesterreich! .. Wie Gott will! Es ist recht getan." Kon 
fiszierend nahm Fähndrich Schiller die Spielkarten an sich „der Zucht 
wegen!" Er schritt ins Freie zurück; weiter auf feiner Morgenvisite. 
Fast warf ihn der Sturm; die Windsbraut heulte wie schweres 
Geschütz; krachend brach sie Aeste vom Wald auf dem Kalvarienberg 
ab und wirbelte Schnee. Ueber einer Tür klirrte ein Sankt Nepomuk 
aus Blech.
	        
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