Volltext: Walter von Molo (Heft 8 / 1927)

Walter von M o l o 
Traum, und ich glaub', es ist Wahnsinn, der mich treibt, dies nieder 
zuschreiben. — Es kann ja nicht aus sein, das Leben? TLarum habe ich 
keinen Kniesall getan? — Warum habe ich die Hand zurückgestoßen, 
die er mir bot? — Mein Kind soll sich durchschlagen und durch die 
Mt beißen, mein Name wird länger dauern, als der Seine!—Mein 
armes Weib! — Ich hätte dir noch so viel zu sagen. . . 
2. 
FÄHNDRICH SCHILLER 
V erschneit wie eine weiße Haube lag das Böhmerland. Hinter der 
langweiligen Pappelnzeile, die ihre dürren Blätter krampshast im 
Rascheln des Eiswindes festhielt, stand sorgenvoll die Wintersonne. 
Glasige Eiszapfen hingen von den niederen Strohdächern des Dorfes 
herab. Hie und da klang das Scheuern einer Kuhkette aus den warmen 
Ställen, die in der harten Kälte dampfen. 
„Der Fähndrich kommt!" schrie der württemberger Musketier durch 
die aufgerissene Türe in die räuchrige Stube. „Aus, zur Salutation!" 
lieble Antwort scholl zurück: „Hat sich was mit dem Respekt, wenn 
man verreckt wie ein Hund!" Aufbegehrend rollten weiter die Würfel. 
Sicher und breit, aus seinen Stock gestützt, die Arzneitasche am 
Bandelier, kam die mittelgroße Gestalt des Fähndrichs näher. In langen, 
gleichmäßigen Stößen quoll die Atemwolke aus den Lungen des starken 
Mannes. Der Wind blies ihm die Krempe des Dreispitzes über das 
Gesicht herab, das rot im schneidenden Frost brannte. Die Schöße des 
Uniformrockes flogen mit dem dicken Zopf um die Wette. Taktmäßig 
schritten die stämmigen Gamaschenbeine heran; sie hielten. Bartlos war 
das Antlitz mit der breitgewölbten Stirn und den klugen großen Augen 
darinnen. „Warum geht kein Musketier auf dem Brett?" Der Fähn 
drich wies mit dem Stock zu dem Holzladen, der halb versunken im 
Schnee neben der Haussront lag. „Und warum sind die Flinten nicht 
zusammengestellt? Daß euch der Stock den Rücken abtanz'! Ist wer 
krank?" 
„Der Eberle liegt aus'm Schrägen, und den Korporal haben sie heut' 
früh unter die Erde getan. Wir haben bös' Winterquartier, Herr Fähn 
drich! Gestern waren's wieder zwanzig, die ohne Sarg und Segensspruch 
reisten; seit heute Nacht warten schon wieder zehn! Ihr könnt ruhig 
weiter die Absingung schicklicher Lieder halten, Herr Fähndrich, und 
Pastor spielen!" 
„Gott warnt, indem er uns durch Vorbilder zeigt, was wir werden 
— aber: Gott verläßt uns nicht!" Der Fähndrich klopfte den verhun 
gerten Musketier ausrichtend aus die Schulter und trat ein. 
Sie hockten um den Tisch herum im Winterquartier, mit unge 
kämmten Haaren, ungewaschen, weil's nimmer dafür stand, Toilette zu 
machen, wenn der mit der Sense so sieißig umging. „Ist Marschbefehl
	        
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