Volltext: Historisch-geographischer Atlas der alten Welt

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Hochland Aethiopien, nördlich im syrischen Küstenlande als 
Kanaaniter oder Phönicier und als Hebräer; von 
diesen Küsten aus verbreiten sie sich colonisirend längs der 
Nordküsten Africas und in den benachbarten Inseln und nörd¬ 
lichen Halbinseln des Mittelmeeres. 
8. III. Nordafricanisehe Völkerstämme der weis¬ 
sen Rasse, nach dem Vorgänge der hebräisch-phönicischen 
Erdkunde gewöhnlich Chamitische genannt, jedoch sprachlich 
noch nicht auf eine Einheit zurückgeführt. 
A. Nördliche, hellfarbige Stämme: die Ae gyp tier, Libyer 
(Berbern, Gaetuler), bis zu den Bewohnern des Atlas - 
landes, denen sich höchst wahrscheinlich die von Africa nach 
Europa übergegangenen iberischen Völker in Spanien, Süd- 
Gallien, und auf den Inseln des Mittelmeeres anschliessen. 
B. Südliche, dunkelfarbige Stämme, mit gemeinsamem Namen 
von den Semiten Küschiten genannt (Alfrionsg der Griechen) 
in vorhistorischer Zeit in Vorderasien weiter verbreitet (Süd¬ 
arabien, Kossäer in Susiana, östliche Aethiopen in Gedrosien 
bis Süd-Indien hin) und daselbst von Semiten und Ariern 
verdrängt. 
Meer e. 
9. Die ältesten Griechen nannten das einzige ihnen bekannte 
Meer, das mittelländische mit den ihm angehörigen Busen kurz¬ 
weg Hovrog oder Sakaööa, jener Name wurde später auf 
den nördlichen Meerestheil beschränkt, mit dem Beinamen "A&vog, 
später Evfeivog. Das grosse Mittelmeer wurde im Gegensatz 
@(ttciö(Sch und mit näherer Beziehung auf Griechenland: das in¬ 
nere Meer, unser Meer, auch das griechische Meer (?? iVcu 
ftakatiöa ? xa#* jjjuäg flülaGGu ? 'ElXrjpLxri ftalcuwct) genannt, 
und dieselben Benennungen wandten auch die Römer an in ih¬ 
rem nostrum Mare, und gewöhnlicher: Mare internum: der 
spät - lateinische Name M. mediterrane um hat sich aber in 
den neueren Sprachen allein erhalten. Unter "kmijg JToptos ver¬ 
stehen die altern Griechen nicht allein die Meerenge, sondern 
auch die Propontis und den nördlichen Theil des ägäischen Mee¬ 
res. Schwankend ist auch der Gebrauch der Namen ionisches 
und ad riatisch es Meer; bei den älteren wird der erste Name 
('löviog xolnog), bei den spätem der zweite oft für das ganze 
gebraucht. 
Im Gegensatz zum Pontus bezeichneten die ältesten Griechen 
mit dem Namen ^Slxtuvög das die Erdscheibe nach ihrer Vorstel¬ 
lung in geringer Breite als Fluss umkreisende Meer. Erst bei 
genauerer Bekanntschaft durch die Fahrten ionischer Schiffer kam 
der Name des westlichen (JWj?o?) oder auch Atlantischen 
Oceans auf, dessen einzelne Theile später nach den anliegen¬ 
den Ländern als äthiopisches, germanisches, suevisches Meer be¬ 
zeichnet wurden. Für das östliche Weltmeer erscheint erst bei 
Ptol. der Name des Indischen Oceans, statt dessen bei den 
früheren der Name "Eqv&qcuov nslayog^ iyvd-grj ftcclaGGa d. i. ro- 
thes Meer, gebräuchlich ist, der zuerst nur den persischen Meer¬ 
busen bezeichnet zu haben scheint. 
AS IE N. 
10. Bei erweiterter Kenntniss unterscheiden die Griechen Asien 
dies seit (nördlich) und jenseit (südlich) des Taurus, indem 
sie die zusammenhängende Kette von Gebirgen, die sich von W. 
nach 0. ungefähr auf dem 36° N.-Br. von der Westküste Klein¬ 
asiens durch Armenien und Nord-Medien bis zum Himalaja er¬ 
streckt, unter dem vom Westende (Kleinasien) her übertragenen 
Namen Taurus (Tür oder Tor d. i. Gebirge in den nordsemi¬ 
tischen Sprachen) zusammengefasst, als das bekannte Asien in 
zwei ungefähr gleiche Hälften theilend ansehen — in der 
Südhälfte das südliche Kleinasien, Syrien, Arabien, Mesopota¬ 
mien, Assyrien, Medien, Persien mit seinen östlichen Neben¬ 
ländern, Indien — in der Nordhälfte das innere, westliche und 
nördliche Kleinasien, Armenien, die Caucasus - Länder, Parthien 
und Bactrien mit ihren Nebenländern und die Scythenländer In¬ 
nerasiens. In ethnographischer Beziehung entspricht im allge¬ 
meinen dem südlichen Theil im Westen das semitische, im Osten 
das arische Sprach- und Volksgebiet, der Nordhälfte im Westen 
das Gebiet gemischter arischer und anarischer (turanischer), im 
Osten dasjenige rein turanischer (scythischer) Bevölkerung. Wäh¬ 
rend historisch betrachtet Indien einen fast abgesonderten Erd- 
theil ausmacht, bildet den Mittelpunkt der vorderasiatischen Cul- 
turwelt das von semitischen Stämmen besetzte, erst um 600 
theilweise (durch die Meder), um 550 ganz (durch die Perser) der 
arischen Herrschaft unterworfene Tiefland des unteren Euphrat- 
Tigris Systems. 
INNER- UND OST-ASIEN. 
Scythia. 
11. Nördlich und östlich von den äussersten festen Ansie¬ 
delungen der Arier am Jaxartes und obern Oxus bewohnten die 
Steppengebiete und Hochgebirge Innerasiens (welche die Perser 
im Mittelalter unter dem Namen Tür an begriffen) nomadische 
Stämme der gelben (turanischen) Rasse, wahrscheinlich nächste 
Stammverwandte der später sogenannten Türken, seit alter 
Zeit von den Ariern (sowohl Indern als Iraniern) unter dem Na¬ 
men der Saken zusammengefasst, welcher zunächst dem vor¬ 
dersten, die Hochgebirge an den Quellen jener Ströme bewoh¬ 
nenden Hirtenvolke (Sehet* speciell in den griechischen Berichten) 
zukam; auf die übrigen verwandten Stämme im Norden und Osten, 
unter denen die Mas sage ten und Issedonen die bedeu¬ 
tendsten waren, übertrugen die Griechen von den osteuropäischen 
Stammverwandten derselben her den Namen Scythen, und 
nannten ihr Land, das auf der nach Ostasien hindurchführenden 
grossen Handelsstrasse seit der Zeit des baktrisch griechischen 
Reiches (durch einheimische, besonders indische Kaufleute) er¬ 
forscht wurde, Scythia. Nach der Lage gegen das, Binnenasien 
von W. nach 0. durchschneidende sogen. Himmelsgebirge (Tlnien- 
schan der Chinesen), mit altem Namen nach indischer Benen¬ 
nung Im aus (d. i. schneeig) genannt, unterschied man^ Scythia 
im Norden oder innerhalb des Im aus (irr og *I/uüov oqovg? 
nämlich in Beziehung auf Griechenland): blosses Steppenland von 
Nomaden bewohnt, das heutige Gebiet der Kirghisen — und Sc. 
im Süden oder ausserhalb des Imaus (ixtdg das chinesi¬ 
sche Ost - Turlcistän oder Thien-schan-nan-lu) mit einigen Städ¬ 
ten (Auzacia, Issedon in der Lage des heutigen Kutsche und 
Karaschar). Auch die südlicher wohnenden von den Türken ver¬ 
schiedenen tibetischen Stämme (mit einheimischen Namen 
Böd, bei den Indern Bhotija oder Bhautij a, griech. Bavvai), 
die man nicht näher kennen lernte, werden diesen Scythen zu¬ 
gezählt. 
12. Serica. Sinae. Das entfernteste Ostland, welches 
man auf jener Handelsstrasse erreichte, war das nördliche , seit 
dem 1. Jahrh. v. Chr. durch Eroberungen bereits über tibetisches 
Gebiet (im nachmals sogenannten Lande Tangut) jenseits des 
obern Hoang -ho (Bavrttsog) bis in die grosse Wüste ausgedehnte 
chinesische Reich, das Land der im Occident hochgeschätz¬ 
ten Seide, von diesem Produkt selbst (öjQ der Seidenwurm nach 
einheimischer Benennung, arjQbxop die Seide) im Munde der west¬ 
lichen Kaufleute uneigentlich Serica benannt, daher auch die 
Hauptstadt mit übertragenem, nicht einheimischem Namen Sera, 
wahrscheinlich entsprechend der damaligen Residenz der chines. 
Kaiser Tschanngan-fu (j. Si-ngan-fu). 
Unter dem auch nicht einheimischen, wie es scheint von der 
Dynastie Thsin-, ausgegangenen, bei Malaien und Indern bekann¬ 
ten Namen Ts china (nach portugies. Schreibart, die wir aufge¬ 
nommen haben und falsch aussprechen: China., richtiger bei 
den Alten Xivan) lernten die Griechen im 1. Jahrh. n. Chr. durch 
Handelsschifffahrt die Süd- und Ost-Küsten desselben Landes 
kennen: äusserstes Emporium, an der Mündung des Jang-tseu- 
kjang, Cattigara (in der ptolemäischen Kartenzeichnung irrig 
südöstlich statt nordöstlich von Hinter - Indien gestellt), von 
wo landeinwärts die grosse Hauptstadt Thinae (Lo-jang, jetzt 
Khai -fung, seit 23 n. Chr. Residenz) nur durch Hörensagen er¬ 
kundet. Die Indien näheren, also in der That südlicheren (bei 
Ptol. falsch nördlichen) Theile des sinischen Landes, /den heuti¬ 
gen Landschaften Kuang - tung und Tung - hing entsprechend, wa¬ 
ren damals erst kürzlich von Norden her erobert und noch nicht 
von Chinesen colonisirt, sondern von wilden, der hinterindi¬ 
schen dunkelfarbigen Urbevölkerung angehörigen Stämmen (sogen. 
Aibiomg Iftfrvo^ayot) bewohnt. 
INDIA. 
13. Der Name, bei den westlichen iranischen Nachbarn Hin du, 
daher bei den Griechen *tvioi9 ist entstanden aus dem 
sanskritischen Sin,dhü d. i. Anwohner des Sindhus (Indus), auf 
welche er nach einheimischem Gebrauche beschränkt war (noch 
jetzt Sindh das Land am untern Indus) und erst im Gebrauch 
der westlichen Völker auf alle dahinter liegenden Länder über¬ 
tragen. Bekannter wird das Indusland erst durch Alexander's 
Feldzüge, das Gangesland durch Seleucus I.Kriege und Gesandt¬ 
schaften, die Küsten der Halbinsel mit ihren verschiedenen Rei¬ 
chen und Völkern erst in römischer Zeit durch Handelsschifffahrt 
von Aegypten aus, doch mit sehr unvollkommener Bestimmung 
der einzelnen Ortslagen, so dass die Kartenzeichnung bei Ptole- 
mäus (vgl. Taf. I.) das Land sehr falsch darstellt*). Die Alten 
pflegten die östliche und westliche Halbinsel nach der Lage jen¬ 
seit und diesseit des Ganges zu bezeichnen, obgleich der Fluss 
keine natürliche Grenze bildet, sondern Völkerschaften und Staa¬ 
ten, die zu beiden Seiten liegen, durchschneidet. Ueber die von 
den arischen Indern verschiedenen alten Bewohner der östlichen 
Halbinsel ist wenig bekannt, über die Küstenorte und Flüsse 
finden sich nur bei Ptolemäus genaue Nachrichten; sicher da¬ 
nach bestimmen lassen ;sich nur die sogenannte silberne und gol- 
*) In Taf. III sind die Namen in einheimischer Form zum Unterschiede 
von den durch Griechen und Römer überlieferten, durch rückliegende 
Schrift ausgezeichnet. Vulg. bezeichnet im folgenden Namensformen der 
alten, aus ' dem Sanskrit und dessen Vermischung mit den nicht-arischen 
Sprachen entstandenen Vulgärdialecte.
	        
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