Volltext: Historisch-geographischer Atlas der alten Welt

Dorfgemeinden (<^oi) behielten. Nicht unter die Demen wurden 
gerechnet die zu Attica gehörigen Inseln (Salamis, Helena, Bel- 
bina) und die ursprünglich zu Boeotien gehörigen Städte Eleuthe- 
rae und Oropus, von denen jene schon in sehr alter Zeit attisch 
wurde, dieses wenigstens vor den Perserkriegen, worauf es noch 
mehrmals zwischen Athen und Theben streitig von letzterem zur 
Zeit seiner höchsten Macht (362—336 v. Chr.) besessen wurde, 
seit 300 als selbständiges Gebiet am boeotischen Bunde theilnahm, 
in der römischen Kaiserzeit wieder an Attica kam. 
Athenae, die Stadt (to acrv) entstand durch Zusammenbau 
mehrerer benachbarter Dorfgemeinden (Demen, namentlich Cyda- 
thenäum und Theile von Melite, Ceramicus u. a.) um die alte 
Burg Cecropia, später Acropolis genannt, vorzüglich an 
der Südseite derselben bis zum Ilissus. Nach der Zerstörung 
durch die Perser wurde durch Themistocles eine neue Mauer auf¬ 
geführt, die sich auf allen Seiten weit über den alten Umfang 
ausdehnte, und einige bisher ganz oder grösstenteils ausserhalb 
der Stadt gelegene Demen mit einschloss, wie Melite, Colyttus, 
Scambonidae, Agrae, Ceramicus (die beiden letzteren auch in der 
Mauer nicht ganz eingeschlossen, daher z. B. innerer und äusse¬ 
rer Ceramicus). Hierzu kam die Befestigung der Iiäfen, von wel¬ 
chen die der Stadt zunächst gelegene Rhede Phalerum in äl¬ 
terer Zeit allein im Gebrauch war, bis durch Themistocles der 
sichere Hafen Piraeeus (der, wie das zwischenliegende Muny- 
chia, früher nur einen Flecken, bildete) zum Haupthan¬ 
dels - und Kriegshafen bestimmt, die ganze Halbinsel mit Mauern 
umgeben, und unter Cimon durch eine 40 Stadien lange Mauer 
(to ßoqhov thx°s)> sowie Phalerum durch eine andere von 35 Stadien 
(to ttix°s) mit der Stadt verbunden wurde; hiezu kam 
später noch, wegen der grössern Wichtigkeit des Piraeeus, eine 
dritte, der ersten parallele Mauer (to vötiov auch, weil sie 
zwischen der nördlichen und der phalerischen Mauer lag, to 
fiitSov rtl/os, und beide zusammen t« ttsiqaixu rsi/rj, ra /naxqct 
öxiXr} genannt). Nach der Zerstörung der langen Mauern durch 
die Spartaner 400 v. Chr. wurden später nur die beiden piraei- 
schen mit Vernachlässigung des Phalerum wieder hergestellt. 
Oestliche aeolisehe Staaten. 
99. Boeotia? Bund von mehreren Republiken oder Städte¬ 
gebieten, gewöhnlich zehn — Thebae, Tanagra, Plataeae, Thes- 
piae, Haliartus, Coronea, Lebadea, Orchomenos, Copae, An- 
thedön, unter denen Thebae in der Regel die Hegemonie führte; 
ausserdem noch einige nur temporär unabhängige Gebiete, wie 
das von Athen erworbene Oröpus und das ursprünglich zu Locris 
gehörige Larymna, welche beide zur Zeit von Thebens grösster 
Macht von diesem abhängig waren; dann Chaeronea im orchome- 
nischen und vielleicht Onchestus im haliartischen Gebiete. Pla¬ 
taeae trennte sich seit den Perserkriegen vom Bunde und war seit 
Wiederherstellung der Macht Thebens mit Attica vereinigt. Das 
Gebiet von Thebae, das grösste von allen, reichte südlich an die 
Grenze von Attica, nördlich mit Einschluss von Teumessus, Hyria, 
Hyle, Acraephium bis an den euboeischen Meerbusen. Gemein¬ 
sames Bundesheiligthum (Ha/ußoMonov): der Tempel der Athene 
Itonia bei Coronea*). 
*) Die tiefste Fläche des ebenen boeotischen Cephissus-Thales, "welche den 
Namen Copais- oder Cephissis-See (jetzt See von Topolias) trägt, ist nur in 
den Wintermonaten einige Fuss hoch vom Wasser bedeckt, welches namentlich 
dem Laufe des tiefer eingeschnittenen Cephissusbettes folgend, durch natürliche un¬ 
terirdische Felsschluchten (ßSQS&QCC oder CaQSrhQCt der Alten, jetzt XCITCcßtjO&QCCI/ 
genannt) unter dem Gebirge gegen NO. abfliesst und oberhalb Larymna wieder 
hervorbrechend in den euboeischen Meerbusen fällt. Diese Abflüsse waren schon 
in pelasgischer (Minyer) Zeit durch künstliche, tiefer angelegte Stollen vermehrt, 
die das schnellere vollständige Trocknen des Seebodens schon im Frühjahre 
(jetzt, wo nur die natürlichen Abflüsse wirken, erst im Sommer) behufs der Be¬ 
bauung desselben bezweckten, so dass damals auf dem Seeboden jährlich zwei 
Ernten gewonnen werden konnten. Auch aus dem südlichen Theile des copä'i- 
schen Sees, durch den die kleineren Bäche Triton, Phalarus, Probatia u. a. 
sich ergiessen, führt ein natürlicher unterirdischer Abfluss östlich unter dem 
Berg Phicium in den See Hylica. 
100. P ho eis, Bund von mehr als zwanzig selbständigen Städ¬ 
ten, unter welchen in späterer Z eit El ate a den ersten Rang ein¬ 
nahm; ein grösseres Gebiet mit einigen unterthänigen Städten 
hatte nur das frühzeitig von Doriern besetzte und dahfer häufig 
den übrigen Phociern feindlich gegenüberstehende Delphi,, zu 
dem auch die Hafenstadt Cirrha gehörte, welche in älterer Zeit 
(ungefähr bis 600 v. Chr.) eine selbständige phocische Stadt war. 
Ö L 0 C r i S, in .ältester Zeit wohl zusammenhängend, seit dem 
Eindringen der Dorier in eine westliche und östliche Hälfte geson¬ 
dert, von denen clie letztere sich wieder in die beiden Meinen 
Staaten der opuntischen und epienemi dis chen Locrer theilte, 
welche auch geographisch von einander gesondert wurden, indem 
die zwischenliegende, ursprünglich locrische Hafenstadt Daphnüs 
schon sehr früh an Phocis und erst unter den Römern wieder an 
Locris kam. Die benachbarte Insel Atalante, so wie im Gebiet der 
o z o 1 i s c h e n oder westlichen {sötisqioi,) Locrer Naupactus (seit 
454 v. Chr.) Und die benachbarten, in älterer Zeit von Corinth 
colonisirten Städte Molycria und Chalcis waren während der Zeit 
des peloponnesischen Krieges Besitzungen von Athen, unter des¬ 
sen Schutze die aus ihrem Vaterlande vertriebenen Messenier 
sich in Naupactus 'ansiedelten. 
Dorischer Staat. 
101. Doris, ein bei der Wanderung aus dem Norden sitzen 
gebliebener Rest des grossen Stammes, Bund von vier kleinen 
Städten, (daher Tetrapolis genannt),. Cytinium Hauptort. Der äl¬ 
tere Landesname Dryopis hatte eine weitere Ausdehnung so¬ 
wohl westlich über die Gebirgslandschaft des Oeta, als östlich 
über das nördliche Phocis (Lilaea und Carphe oder Tarphe, welche 
auch zuweilen zu Doris gerechnet wurden, daher in_ dieser Aus¬ 
dehnung Hexapolis genannt). Das benachbarte Malis (Melis), 
mit der alten Hauptstadt Trächis, ursprünglich von Achaeern und 
Aeoliern bewohnt, trat ebenfalls schon früh in Verbindung mit 
den Doriern, und eine Verstärkung der dorischen Bevölkerung 
in diesem Gebiete bildete die von Sparta 426 v. Chr. gegründete 
Stadt Heraclea, zum Unterschiede beigenannt Trachinia. 
Westliehe aeolisehe Staaten. 
102. Aetolia, ursprünglich auf das Küstenland (welches 
auch speciell Aeolis hiess) mit den alten Königssitzen Calydön 
und Pleurön beschränkt, später ein Bund von republicanischen 
Städten, deren gemeinschaftlicher Hauptort Thermum, während 
Calydöii seit dem peloponnesischen Kriege sich den Achaeern an¬ 
geschlossen hatte, von denen es erst Epaminondas wieder trennte. 
Das innere Gebirgsland bewohnten in zerstreuten Dörfern die 
halbbarbarischen, häufig auch den Epiroten beigezählten Völker¬ 
schaften der Apodoten, Ophioneer (zu denen die Bomieer und 
Callieer gehörten), Eurytanen, Agraeer und Amphilocher; diese 
Theile sowohl, als der westliche Theil des frühern ozolischen 
Locris mit Naupactus, die seit der Gründung des grösseren aeto- 
lischen Bundes (280 v. Chr.) dauernd bei dieser Landschaft blie¬ 
ben, wurden seitdem im Gegensatze zu Alt-Aetolien, A. Epic- 
tetus (das zuerworbene) genannt. Um dieselbe Zeit wurden 
Heraclea Trachinia und die Landschaften der Aenianen und Do- 
loper, einige Zeit auch Phthiotis, Theile des aetolischen Bundes, 
und werden deshalb in der Geschichte der Kriege »mit Macedonien^ 
/und Rom oft mit zu Aetolien gerechnet; nach der Besiegung der 
Aetoler durch die Römer kamen diese Gegenden zu Thessalien. 
Gegen Westen, jenseit des Achelous, besassen die Aetoler seit 
270 v. Chr. das acarnanische Stratus und Oeniadae und das epi- 
rotische Amphilochia und Ambracia (bis um 220 dieses macedo-, 
nisch und der Achelous-Fluss wieder Grenze gegen Acarnanien 
wurde). In der macedonischen Zeit, als Lysimachus von Thra- 
cien seine Macht eine Zeit lang über Nordgriechenland ausdehnte, 
wurde die^Stadt Lysimachia gegründet. 
103. Acarnania, in ältester Zeit (Horn. Od.) mit unter der 
allgemeinen Benennung "Umigog begriffen, erscheint in der histo¬ 
rischen Zeit als Bund der einzelnen Städte, deren Haupt zuerst 
Stratus war, und nachdem dieses aetolisch geworden, Thyrium 
und endlich Leucas wurde. Letzteres, auf der benachbartenln- 
sel (ursprünglich Halbinsel, aber durch einen Durchstich, Jiojqv- 
xtog, vom Festlande getrennt), sowie Anactorium und Solium, wa¬ 
ren als Coloniestädte der Corinther (um 660 v. Chr. angelegt) 
anfänglich dem acarnanischen Bunde fremd, in den sie erst in 
der macedonischen Zeit eintraten: um dieselbe Zeit gehörte auch 
das Gebiet des epirotischen Volks der Amphilocher (Hp.tst. 
Argos Amphilochicum von Corinth colonisirt) zu Acarnanien, bis 
es später zu Aetolien gezogen wurde. 
104. Die der acarnanischen Küste gegenüberliegenden Inseln, 
namentlich Cephallenia (in ältester Zeit nach der Hauptstadt 
Same oder Samos genannt) und Ithaca, schlössen sich später 
den Aetolern an, wie sie auch von einem mit diesen verwandten, 
aeolischen Stamme bewohnt waren, der in älterer Zeit nach der 
grössten Insel die Gesammtbenennung der Cephallenen geführt 
zu haben scheint. Auf Zacynthus wohnten Acliaeer, Pale auf 
Cephallenia war in früherer Zeit wie Leucas eine corinthische 
Colonie, ebenso Corcyra (colonisirt 758 v. Chr.); alle diese In¬ 
seln aber wurden mit ganz Acarnania unter der römischen^ Herr¬ 
schaft zur Provinz Epiriis geschlagen. Zwischen Acarnania und 
Aetolien streitig waren die vor derVMündung des Achelous gele¬ 
genen Echinaden-Inseln (auch *0%uav oder Soaij d. i. die spitzen 
genannt), welche jetzt fast alle durch das dem Flusse ange¬ 
schwemmte Erdreich mit der Küste verbunden oder ihr nahe ge¬ 
rückt sind; die grösste derselben, in der römischen Zeit noch 
Insel und damals Doliche genannt, war vielleicht das homerische 
Dulichium. 
Die Inseln des Aegaeisehen .Meeres. 
105. Creta, von den Phöniciern schon früh colonisirt, hatte 
ursprünglich zum Theil carische und pelasgische Bevölkerung von 
Königen zu Cnössus beherrscht (die ihre Herrschaft auch über 
die südlichen Inseln des aegaeisehen Meeres ausdehnten), welche 
durch die aus der Peloponnesus, namentlich Laconien und Argos, 
in Folge der-grossen Wanderung herüberziehenden Dorier nicht 
ganz verdrängt, als Cydonen im Westen und als Eteocreten 
(d. i. ursprüngliche Creter, mit dem Hauptorte Praesus) im Osten 
der Insel sich erhielt. Doch gelten wegen des Uebergewichts der 
dorischen Einwanderer Volk, Dialekt und Staatseinrichtungen (fast 
alle Städte selbständige Republiken ohne engere Verbindung) für 
dorisch. 
An Creta schliessen sich, ihrer aus peloponnesischen Doriern 
und Achaeern gemischten Bevölkerung nach, die südlichsten der 
kleinern Inseln des aegaeisehen Meeres Melos, Thera*) (beide 
Colonien von Sparta), Astypalaea (Colonie vonMegara), Anaphe 
und Pholegandros, welche erst später ihrer geographischen Lage 
nach zu den .Cycladen gerechnet werden. 
Die im engern Sinne sogenannten KvxXadsg sind die nördli¬ 
chen von Ioniern bewohnten Inseln, die ursprünglich einen Bund 
von zwölf Staaten (später noch mehreren) bildeten, deren religiös¬ 
politischer Mittelpunkt De los und deren bedeutendste Glieder 
Naxos, Paros, Andros, Ceos waren; dazu das von Dryopern 
bewohnte Cythnos. Mehrere 4der kleinern Inseln waren von den 
grösseren abhängig, wie RheneaVonDelos, Oliaros von Paros u. s.w. 
106. Die schon seit alter Zeit meist von Ioniern bewohnte 
Insel Euboea galt als ein Theil des attischen Gebiets, seitdem 
um 500 v. Chr. Athen die Hauptstaaten Chalcis und Eretria von 
sich abhängig gemacht, später auch die Histiaeer an der Nord¬ 
küste (wo die athenische Colonie Oreus angelegt wurde) und um 
470 v. *Chr. die Dryopei* (im südlichen Theil der Insel, mit den 
Städten Styra und Carystus) unterworfen hatte. 
*) Thera und Therasia entstanden in ihrer jetzigen, auch auf der Karte 
Taf. VII. angegebenen Gestalt erst 237 v. Chr. durch ein Erdbeben, indem der 
grösste Theil der früher zusammenhängenden, viel grösseren Insel unterging, 
worauf in dem dadurch entstandenen tiefen Becken zwischen beiden Inseln die 
Spitze des submarin wirkenden Vulkans erst später sich wieder über die Mee¬ 
resfläche erhob und die kleinen Felseninseln Hiera und Thia hervorbrachte.
	        
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