Volltext: Historisch-geographischer Atlas der alten Welt

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mit Ausschluss Atticas), wo sie die Specialnamen Boeoter, Lo- 
crer, Phocier, Aetoler, Acarnanen führen. Angebliche 
alte Sitze eingewanderter Aeoler in der Peloponnesus: Corinthus, 
Triphylien mit einem Theile Messeniens. 
88. Dieser älteste chronologisch nicht zu bestimmende Zu¬ 
stand der griechischen Völker wird gänzlich verändert durch eine 
letzte grosse Völkerbewegung von Norden her, welche über ein 
Jahrhundert andauernd mit der Besitznahme aller grösseren hel¬ 
lenischen Stämme in denjenigen Gebieten endet, welche sie die 
ganze fernere Zeit der alten Geschichte hindurch behaupteten 
und denen sie zum Theile nun erst die hinfort geltenden Namen 
gaben (wie Achaia, Thessalia, und das kleinasiatische Aeolis, Io¬ 
nia, Doris). Das nördlichste Volk des eigentlichen Griechenlan¬ 
des wurden nun die Thessalier, ein epirotischer mit Illyriern 
vermischter Stamm, welcher (angeblich um die Mitte des 12. Jahrh. 
v. Chr.) von Westen her das seitdem sogenannte Thessalien und 
die dort wohnenden Hellenenstämme — namentlich Achaeer und 
Aeoler (sowie später auch die gebirgsbewohnenden Perrhaeber und 
Magneten) unterwarf. 
In Folge dieses Anstosses dringen die angrenzenden Völker 
ebenfalls weiter nach Süden vor, namentlich die aeolischen 
Boeoter, welche von Süd - Thessalien auswandernd ihr späteres 
Gebiet besetzen, die A e toi er, welche die westliche Pelopon¬ 
nesus (Elis) erobern, und die Dorier, welche'in der südlichen 
und östlichen P. das achaeische Reich stürzen und die dorischen 
Reiche von Messenien, Sparta oder Lacedaemon (Läconien) und 
Argos gründen, wovon das letztere durch weitere Eroberungen 
nach N. und 0. Sicyon, Corinthus, Megara, Aegina, Epidaurus, 
Troezen, alte aeolische und ionische Staaten, in dorische umwan¬ 
delt. Von den Ost- und Südküsten der Halbinsel geht die dori¬ 
sche Wanderung weiter nach Creta, auf die südlichsten der Cy- 
claden und Sporaden und bis zur Südwestküste Kleinasiens. Mit 
den Doriern ziehen wahrscheinlich die mit ihnen am Oeta einhei¬ 
mischen Dryop er, welche später im argolischen Asine und Her- 
mione, sowie auf einzelnen Inseln (Carystus und Styra aufEuboea, 
Cythnus) Wohnsitze finden. 
89. Die Achaeer behaupten noch Theile ihrer alten Sitze 
in Laconica (Amyclae, Taenarum) und Argos (Mycenae, Tiryns, 
Nauplia), dauernd ausserdem die Nordküste der Peloponnesus, 
Achaia, und wandern zum grossen Theile, mit Boeotern, Locrern 
und Euboeern vereinigt, nach Lesbos und dem nordwestlichen 
Kleinasien, wo sie eine Reihe Coloniestädte indem nun Aeolis 
genannten Lande gründen. « 
Die Aeoler, aus Boeotien, Triphylien, Läconien verdrängt, 
oder theilweise von Doriern unterworfen, wie die Achaeer, wan¬ 
dern zum Theil mit diesen, aber unter dorischer Führung, nach 
Melos, Creta (Gortyn), Thera, und von hier später nach Cyrene 
(welche Landschaften daher als dorische Colonien gelten), zum 
Theil wenden sie sich nach Attica, wohin auch die peloponnesi¬ 
schen Ionier, von dort verdrängt, ziehen; beide Völker besetzen 
Euboea und die meisten der cycladischen Inseln, mit andern Stäm¬ 
men (Boeotern, Phociern, Abanten, Arcadern, Dryopen) vereint, 
besetzen sie die Küste von Lydien, und ^gründen daselbst (wie 
früher in der Peloponnesus) einen Bund von 12 Städten, der vom 
Hauptvolke der ionische, sowie das Land vorzugsweise lonia 
genannt wird. 
Die nicht unterworfenen Reste der Pelasger von den Grie¬ 
chen Tyrsener (bei den späteren Tyrrhener) genannt, aus 
Argos^ Acarnania, Boeotia, Athenae, Creta, den Westküsten Klein¬ 
asiens vertrieben, scheinen sich meist nach dem Westen, nament¬ 
lich Italien, gewendet zu haben, zum Theil auch nach den nörd¬ 
lichen Küsten und Inseln des aegaeischen Meeres, wo sie auf 
Pallene, am Athos, an der Propontis, auf Lemnos, Imbros und 
Samothrace sich noch in historischer Zeit finden und erst von den 
der Name nur bei Ptolemäus vor, ist aber eben desshalb in den geographi¬ 
schen Werken eingebürgert, obgl-eich im älteren Sprachgebrauch immer al¬ 
les von Griechen bewohnte Land tinter dem Namen EÄAccg das eigentliche 
Griechenland südlich vom Olympus uird von Epirus speciell V tiVVSrYYiq*Ehkac) 
umfasst wird. . A ' 
Colonien der chalcidischen und asiatischen Ionier, zum Theil erst 
von den Athenern unterworfen werden. 
90. Die ursprünglichen Stammesunterschiede (nach welchen 
die Staaten auf den Karten VII. u. VIII durch das Colorit unter- 
• schieden sind) treten im Verlaufe der Geschichte an Bedeutuno¬ 
zurück hinter den, zunächst durch die Stammverwandtschaften 
bedingten politischen Verbindungen und Gegensätzen: in frühe¬ 
rer Zeit zwischen ionischen und andern Se.estaten unter Führung 
Athens, und dorisch-aeolischen Landstaten unter Führung Spartas 
(Zeitalter des peloponnesischen Krieges, vgl. Taf. VII.); seit der 
macedonischen Zeit dagegen zwischen den westlicheren Haupt¬ 
völkern aeolischen Stammes: den Achaeern und Aetolern. 
Letztere vereinigten mit ihrem Lande das westliche Locris, Doris, 
die südlichen thessalischen Grenzgebiete der Aenianen, Dolöper, 
Malier; auf einige Zeit auch das den epirotischen Königen abge¬ 
wonnene Ambracia (bis letzteres, nebst dem den Aetolern feind¬ 
lichen Acarnanien 220 v. Chr. von Macedonien besetzt wird); in der 
Peloponnesus sind ihnen die stammverwandten Eleer verbündet. 
Die Achaeer vergrössern ihren alten Zwölfstädtebund durch die 
früher dorischen Staaten Sicyön, Phliüs, Corinthus, welche seit¬ 
dem auch gewöhnlich zur Landschaft Achaia gerechnet werden; 
seit 240 v. Chr. schliessen sich an: Megaris, Argolis, Arcadia (aus¬ 
ser den noch längere Zeit von Macedonien abhängig gehaltenen 
östlichen drei Städten: Tegea, .Mantinea, Orchomenos) und Mes- 
senia; in seiner grössten Ausdehnung (seit 192 v. Chr.) begreift der 
Bund auch Sparta, Athen, Boeotia, Phocis, Ost-Locris und Eu¬ 
boea. (Taf. IX.) 
91. Da der politische Name der Achaeer von allen diesen 
Bundesstaaten geführt wurde, welche den Kern des eigentlichen 
Griechenlandes bildeten, so wurde.dieses als Land von den Römern 
in dieser Zeit nur Achaia genannt, welcher Name bestehen blieb, 
da es nach Auflösung beider Bündnisse 146 v. Chr. in Abhängig¬ 
keit von Rom trat ; nicht gleich andern unterworfenen Ländern 
(wie selbst Thessalia und Acarnania, welche resp. bei Macedonia 
und Epirus bleiben) als eigentliche Pro vi n z ^sondern die einzel¬ 
nen Staaten mit freien Municipalverfassungen in ihren Gebieten 
(deren Grenzen noch mehrfachen Veränderungen unterlagen. Die 
römische Herrschaft wurde seit Caesar durch Anlegung der 
italischen Colonien Corinthus (Sitz des römischen Proconsuls 
und somit wieder Hauptstadt der Provinz Achaia) und Patrae 
befestigt. 
PELOPONNESUS. 
Aeolische Staaten. 
92. Achaia. Seit ältester Zeit ein Bund von zwölf auto¬ 
nomen Städten, von denen die Hauptorte,Patrae und Aegium 
waren; diei übrigen sind Dyme, Olenus, Pharae, Tritaea, Rhypae, 
Bura, Heiice (diese beiden 380 v. Chr. durch Erdbeben zerstört), 
Aegae, Aegira, Pellene. Letzteres schliesst sich zur Zeit des 
peloponnesischen Krieges an die benachbarten dorischen Staaten 
der Argolis an; statt des verfallenen Aegae und Rhypae treten spä¬ 
ter (280 v. Chr.) Cerynia und Leontium in den Bund ein. 
93. Elis begreift zunächst das nördliche oder eigent¬ 
liche Elis, von Aetolern in Dörfern bewohnt, die erst 465 v. Chr. 
die nach dem Lande benannte Hauptstadt erbauten; ferner das 
Mittelland am Alpheus, nach der älteren Hauptstadt Pisa (bei 
welcher der heilige Festbezirk Olympia, keine Stadt) Pis at is 
benannt, seit 570 v. Chr. den Eleern* unterworfen; endlich im 
Süden das ursprünglich von arcadischen Paroreaten bewohnte, 
dann von Aeolern besetzte Küstenland Triphylfa, ein Bund 
von sieben kleinen Städten (Hauptort Lepreum), ebenfalls früh 
von den Eleern unterworfen, mit spartanischer Hülfe häufig selb¬ 
ständig, seit 398 v. Chr. von Elis unabhängig und zeitweise an 
Arcadien angeschlossen; erst unter den Römern wieder eleisch. 
94. Arcadia, in älterer Zeit Königreich, besteht später 
ohne feste Bundesverfassung aus einzelnen Republiken, wovon die 
westlichen, nördlichen und östlichen zugleich bedeutende Städte 
sind: Phigalia, Heraea, Thelpusa, Psophis, Glitör, PhenSos, Stym- 
phälus, Orchomenos, Mantinea, Tegea; das ganze südli¬ 
che Land hatte nur kleine Landstädte und Flecken, in einzelnen 
Cantons unter einander verbunden als: Cynuria (bedeutendste Stadt 
Gortys), Parrhasia (wo die uralte Stadt Aegys schon früh von 
Sparta erobert), Eutresia, Maenalia; diese Gaue nebst den früher 
vielleicht auch selbständigen, zur Zeit des peloponnesischen Krie¬ 
ges aber unter Orchomenos stehenden Orten des innern Landes, 
Methydrium, Thisoa, Teuthis, wurden seit 370 v. Chr. zum Gebiete 
der neuerbauten Hauptstadt Megalopolis (griäeh. MtyccXq nofos, 
Einw. MeycdonoMTTjs) vereinigt. 
Dorisehe Staaten. 
95. Messenia, in ältester Zeit dorisches Königreich, öst¬ 
lich bis zum Fluss Choerius, durch die ersten spartanischen Er¬ 
oberungen am Flusse Nedon begrenzt, um 670 v. Chr. ganz von 
den • Spartanern erobert und daher in der Zeit des pers. und pe- 
loponn. Krieges gewöhnlich unter dem Namen Laconica mit ein¬ 
begriffen, bis durch Epaminondas 369 v. Chr. der messenische Staat 
als Republik wieder hergestellt, die" Grenze südöstlich bis zum 
laconischen Leuctra ausgedehnt und als Hauptstadt Messene 
neben der alten Burg Ithome erbaut ^wird; unter d§n römischen 
Kaisern gilt wieder die ältere Grenze gegen Läconien. 
96. Laconica, auch als Land Lacedaemon genannt, do¬ 
risches Königreich oder vielmehr Aristokratie der dorischen Er¬ 
oberer (Spartiaten) neben den beherrschten achaeischen Bewoh¬ 
ner (mqioixoi, auch nach strengerem Sprachgebrauch Laconen 
genannt) und den leibeigen gemachten Urbewohnern {äkcoug); 
die Achaeer namentlich auch später noch in den südlichen 
Küstenstädten (darunter Gythium bedeutend als Hafenstadt der 
Hauptstadt Sparta) überwiegend; ihre alte Hauptstadt Amyclae 
erst um 820 v. Chr. von den Spartanern erobert. Die ganze, 
von arcadischen (ureinwohnenden) Cynuriern bewohnte, in älte¬ 
ster Zeit von Argos beherrschte Ost'küste wurde zuerst um 850 
v. Chr. erobert; das nördliche (eigentliche) Cynuria seit 715 
wieder argeisch, bis es nach langen Kriegen mit wechselnde^ Be¬ 
sitz um 540 v. Chr. unter Abhängigkeit von Sparta kommt und 
als Theil Laconiens angesehen wird; unter dem achaeischen Bunde 
und den Römern fällt. es. wieder an Argos. 
97. Argolis {'Joynct, Argos) hiess zunächst die von der Stadt 
Argos beherrschte Ebene mit dem zugehörigen Gebiet, König¬ 
reich, dann Republik, die wenigstens in späterer Zeit bedeuten¬ 
den Einfiuss auf die übrigen selbständigen Städte der Landschaft 
ausübte, welche daher mit zur Argolis gerechnet wurden, wie 
Cleonae, die Dryoper-Städte Asine und Hermiöne, die ionisch¬ 
dorischen Troezen und Epidaurus, ferner Aegina und das 
altachäische Mycenae, welches erst 464' v. Chr. (das dazu ge¬ 
hörige Nauplia schon 670, das von Cynuriern bewohnte Orneae 
580) von Argos ganz unterworfen wurde. Der Lage- und Stamm¬ 
verwandtschaft nach, weniger aber durch politischen Einfiuss, ge¬ 
hörten zu Argos die nördlichen dorischen Städte Sicyon, Phliüs, 
Corinthus, sammt des letztern Pflanzstadt Megara, daher der ge¬ 
wöhnliche Gebrauch besonderer landschaftlicher von den Städten 
abgeleiteter Namen: Phliasia, Sicyonia, Corinthia, Me¬ 
garis. Letzteres seit 930 v. Chr. selbständig, behauptete anfangs 
das Gebiet bis zum Isthmus, das es in der Folge an Corinthus, 
sowie Salamis seit 600 v. Chr. an Athen verlor. 
MITTEL - GRIECHENLAND. 
Ionischer Staat. 
98. Attic a, ursprünglich Bund von zwölf Gemeinden (nolsis), 
von denen später nur die durch besondere Heiligthümer ausge¬ 
zeichneten Eleusis' und Brauron, sowie Cecropia (Acropolis von 
Athen) als Städte galten; die übrigen aber (Phalerum, Cephisia, 
Decelea, Äphidna, Marathon, Pallene, Cytherus, Sphettus, Thori- 
cus), wie alle1 übrigen kleineren Orte Atticas, nur den Rang von
	        
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