Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Die Mediziner sind der Meinung, daß es sich wohl um eine 
Ruhrepidemie handelt, aber sie haben keine Mittel, um sie ein¬ 
zudämmen. Das Fläschchen Opium, das ihnen zur Verfügung 
steht, reicht kaum für den Bedarf der erkrankten Offiziere aus. 
Ich presse die Zähne zusammen, um vor Schmerz nicht zu 
brüllen, und begehe einen Kameradschaftsdiebstahl: ich öffne 
einen fremden Tornister und stehle daraus eine ärarische Leib¬ 
binde, die der Mann auf seinem Rücken von Pisek bis nach Ser¬ 
bien geschleppt hat, um für den bewußten Krankheitsfall 
gerüstet zu sein. Es wird mir nicht besser, und nach und nach 
werden alle Kameraden von Bauchschmerzen befallen und 
scheißen Blut. Das Lager hat sich in eine einzige Latrine ver¬ 
wandelt. Es zirkuliert der Vers: 
An der Drina, an der Drina 
Herrscht die rasche Katharina. 
In diesem Epidemielager wurden die Kompagnien neu 
rangiert. Die unsrige ist derart zusammengeschmolzen, daß wir 
als vierter Zug der 16. Kompagnie zugewiesen werden. Am 
Abend wurde mir so schlecht, daß ich mich, von Erbrechen 
befallen, in Krämpfen auf dem Boden wand. 
Krank kroch ich in das Zelt, in dem schon alle Leute meines 
Zuges schliefen. Diese Leinwandpyramide von 8 m Länge 
und 1% m Breite, in der mehr als 30 Menschen auf nacktem, 
nassem Grasboden aneinandergepreßt schliefen, ist das primi¬ 
tivste Massenquartier, das ich je in der Welt gesehen. In der 
Nacht wollte ich hinaus, aber ich konnte es nicht übers Herz 
bringen, alle Schläfer um meinetwillen zu wecken. Schließlich 
hob ich einen Zeltpflock aus dem Boden und entfloh durch die 
gelockerte Seitenwand. Die ganze Nacht goß es in Strömen. 
Sonntag, den 23. August 1914. 
Das ist der Tag der Gerüchte: In Madrid finden Friedensver¬ 
handlungen statt, das 13. Korps sei zertrümmert, die beiden an¬ 
deren Korps aus Serbien nach Rußland dirigiert worden, in der
	        
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