Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Stehen, auch drüben fährt Artillerie auf und beginnt statt der 
flüchtenden Kolonnen uns zu beschießen. 
So bleiben wir bis zur Nacht, richten aus angstvollen Schüssen 
eine Schutzmauer vor uns auf, nicht zielend, aber den Lauf 
halblinks haltend, damit wir nicht unsere Leute auf der Land¬ 
straße treffen. 
Donnerstag, den 20. August 1914. 
Die ganze Nacht ratterten die Fluohtkolonnen über die 
Chaussee, vor Tagesanbruch fuhren auch unsere Kanonen von 
dannen, und wir schlossen uns ihnen an. Bei der Kirche in 
Lesnica sahen wir neue Gräber, an der Kirchenwand stehen die 
Namen: Oberstleutnant Haluska, 11.Regiment, gefallen 15. August 
1914. — Oberleutnant Ullrich, 11. Regiment, gefallen 15. August 
1914. — Weiter die Namen von fünf Infanteristen und darunter: 
„Zehn Unbekannte des I. R. 11“. 
In Lesnica erfuhren wir den Rückzugsbefehl: „Bis über die 
Drina zurückzugehen und das Ufer bis zum letzten Mann zu 
halten.“ Ich schloß mich zwei Prager Bekannten an, und wir 
marschierten zusammen, Otto Weinberg, Korporal im 91. Re¬ 
giment, Paul Brandfeld, Korporal im 102. Regiment, und ich, 
Korporal im 11. Regiment. Weinberg hatte einige Sportziga¬ 
retten, mit denen wir uns den Sitz auf einer Kanone erkauften. 
Da saßen wir oben und fuhren etwa fünf Stunden. Oft stockte 
die Fahrt, dann zog ich mein Notizbuch hervor und beschrieb 
den Verlauf des gestrigen Tages. Wenn wir fuhren, deklamierte 
Brandfeld, seines Zeichens Schauspieler, den Lärm der Schrap¬ 
nelle und das Geratter der Räder überschreiend, die Rolle des 
Zanga aus „Traum ein Leben“: 
Jetzt Freunde, jetzt Brüder 
Streckt der Mordstrahl nieder; 
Empfangen und geben 
Den Tod und das Leben 
In wechselndem Tausch, 
Wildtaumelnd im Rausch, 
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