Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Mittwoch, den 10. Februar 1915. 
Schnee und Sonne leuchten auf dem zwölf Kilometer langen 
Weg von Ungvar über Ladomer nach Kiskolon. Der Divisionär 
hat zwei Aufrufe erlassen, einen warnenden, der in dem Satz 
gipfelt: „Die Kälte ist unser größter Feind“, und einen anfeuern¬ 
den: „In fünfmonatigem Feldzug, der überreich an Strapazen 
und Opfern war, haben wir unvergleichliche Heldentaten ge¬ 
leistet und dem haßerfüllten Feind im Süden unseres Reiches 
solche tiefe Wunden geschlagen, daß er es unterlassen wird, uns 
je wieder leichtfertig zu höhnen und herauszufordern.“ An¬ 
schließend daran wird mitgeteilt, uns falle die Aufgabe zu, „die 
Russen aus Galizien zu vertreiben. Nicht jeder Soldat“, heißt 
der Hauptsatz, „wird die Auszeichnung haben, im Süden und 
Norden fürs Vaterland gekämpft zu haben, und deshalb soll 
euch die Berufung des Allerhöchsten Kriegsherrn und unsere 
neue Aufgabe mit besonderem Stolz erfüllen.“ 
Am Abend sprach ich mit jüdischen Auswanderern, die das 
Pferd ihrer Karre fütterten. Was sie erzählten, war fürchterlich, 
oft las man von Kosakengreueln, ebensooft von Schrecknissen 
der Pogrome, aber man hielt das im Frieden für Übertreibungen 
aus Sensationsgier, im Kriege für Stimmungsmache. Wider¬ 
strebend, in abgebrochenen Sätzen, einer dem anderen aus¬ 
helfend, berichteten diese armen Leute von ihren Leiden. Das 
konnte nicht erlogen sein. Sie waren in ihrem galizischen Ort 
geblieben, als zum erstenmal die Russen kamen; „es sind doch 
auch Menschen, haben wir uns gesagt“, doch sie brachen in die 
jüdischen Wohnungen ein, raubten mit vorgehaltenem Revolver, 
verprügelten die Männer, und alle ihre Fragen gingen nach 
Frauen und Mädchen, ja sogar Halbwüchsige zerrten sie in die 
Nebenzimmer, um sie zu notzüchtigen. 
Einmal näherten sich die Kosaken dem Haus, die Mädchen 
verbargen sich, als jedoch die Russen den Vater umzubringen 
drohten und mit den BajonettgrilTen auf seinen Kopf schlugen, 
stürzten die Töchter mit Zetergeschrei herbei und erzielten, daß 
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