Sonntag, den 24. Januar 1915.
Nachmittags war ich bei der Platzmusik, die von der einiger¬
maßen komplettierten Kapelle der Elfer gestellt worden war.
Man spielte unter anderem „Bobby, wo hast du deine Haare“,
den vorjährigen Saisonschlager von Berlin. Wie oft hab’ ich in
der Taverne und im Lunaballhaus dazu getanzt! — Ein deut¬
sches Armeekorps ist angeblich bereits in Temesvar eingetroffen.
Die Ehefrauen von Offizieren, Längerdienenden und Reser¬
visten sind angekommen, manche aus Ofutak, manche aus der
Heimat; es gibt wieder Weibergeschichten, Kabalen, Verhält¬
nisse, Protektionen. Neben unserem Quartier wohnt ein General¬
stabsmajor K. und sieht jeden Abend in seiner Wohnung den
Oberleutnant d. R. Baron H., Ordonnanzoffizier der Division,
und dessen Frau zu Gaste. Nach dem Nachtmahl begibt sich
der Herr Oberleutnant in den Hof, im Zimmer verlöscht das
Licht. Eine Viertelstunde später wird’s oben hell, und die Ba¬
ronin ruft harmlos aus dem Fenster: „Willy, komm doch schon
herauf.“ Gestern mußte der pflichttreue Ordonnanzoffizier zwei¬
mal verschwinden, auf die Straße geht er nicht, damit kein
Offizier ihn nach der Frau Gemahlin frage und deren Aufent¬
haltsort errate.
Die Soldaten, Sexualnot leidend und daher klatschlüstern¬
neidisch, beobachten solche Szenen genau, das meiste vollzieht
sich auch öffentlich, sogar offiziell. Zum Exempel hat dem Ober¬
leutnant J. und seiner blonden Frau der Oberstleutnant liebens¬
würdigerweise ein Zimmer seiner Wohnung abgetreten. Der
Diener des Hauptmanns S., der während der Schlacht auf dem
Avalaberg zu uns eingerückt ist, hat erzählt, wie verliebt die
Frau Hauptmann in ihn (den Diener), und daß sie von ihm
schwanger sei; tatsächlich ist die Hauptmannsfrau jetzt in Szaj-
kas-Szent Iwan bei ihrem Gatten und dem Diener eingetroffen,
und es läßt sich erkennen, daß die Renommagen des Burschen
keine Lügen waren.
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