kommen, um den Generalmajor Prziborski, einen Freund des
erzherzoglichen Hauses, bei der erwarteten Durchfahrt der
21. Landwehrdivision zu begrüßen. Da diese nicht kam, be¬
trachtete er mit Interesse die aussteigenden Truppen unseres
Regiments und freute sich, daß man ihn umstand. Dann bestieg
er das Auto, das — man kann dies als symbolisch bezeichnen —
der Geistliche lenkte. Die Offiziere und einige Soldaten riefen
Hoch, und der Bub dankte den Truppen, die auszogen, um den
Mord an seinen Eltern zu rächen, im Wegfahren durch be¬
geistertes Schwenken seiner Matrosenmütze.
Bei der Station Erdweiß verließen wir Böhmen und waren
um % 12 Uhr in Gmünd. Da nur den Offizieren der Besuch
des Bahnhofsrestaurants gestattet war, versuchte ich zum ersten¬
mal die Menage zu essen, ohne Erfolg. In Siegmundsherberg
hörten wir von der Ermordung Poincares und von den ersten
Kämpfen an der russischen Grenze. In Eggenburg verteilten
Rote-Kreuz-Damen Liköre und Aprikosen an die Offiziere, Zi¬
garetten und Bier an uns.
Bei Tulln wurde die Donau passiert, und einige Infanteristen
beugten sich aus dem Fenster, um zu sehen, wo — Belgrad
liege. Mir wurde elendiglich schlecht. Mein zimperlicher
Magen, das unregelmäßige Stoßen und Rattern des Lastzuges,
eine Erkältung, die ich mir beim Waschen auf dem morgen¬
kalten Bahnhof zugezogen hatte, die Unmöglichkeit, Wäsche
zu wechseln und andere Unbequemlichkeiten bewirkten, daß ich
unter Kopfschmerzen erbrach, und meine Kameraden schüttel¬
reimten: „Ihr werdet ihn noch sterben sehen, bevor wir vor
den Serben stehen.“
Dienstag, den 4. August 1914.
Es war 6 Uhr früh, als wir auf dem Wiener Ostbahnhof
landeten. Dreißig Stunden haben wir zur Fahrt von Pisek nach
Wien gebraucht. Nach einer halben Stunde ging’s weiter, durch
Floridsdorf, rechts und links lachte auf allen Bäumen die
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