Leibe. Losgelöste Baumwollstücke der Winterwäsche, Stroh¬
halme und Gräser und Erde fielen mit zu Boden. Als ich nackt
war, erschrak ich, so mager, so schmutzig hatte ich mich nie
gesehen. Ich sprang in das warme Wasser. Anfangs glaubte
ich, ich würde wahnsinnig, ein so unsägliches Kribbeln überfiel
mich, als ob eine Ameisenmilliarde eine Strafexpedition gegen
mich vollziehe. Bald aber wurde mir wohlig zumute, der Schmutz
löste sich. Dann noch die reine Wäsche! Ich zog das neue Hemd,
die neue Unterhose und die neuen Strümpfe an und empfand
dabei den glückseligsten Moment während des ganzen Feldzuges.
Mittags aßen der Gefreite Willi Stohl, Infanterist Fritz Fantl
und ich in einem Restaurant. Wir drei hatten im letzten Monat
gemeinsame Wirtschaft geführt, jedes erbettelte Stück Speck,
jedes gestohlene Stück Brot und jeden erbeuteten Tropfen
Schnaps redlich miteinander geteilt — jeder einen Bissen, jeder
einen Schluck. Nun saßen wir an weißgedecktem Tisch und
aßen mit Löffel, Gabel und Messer, tranken aus Gläsern.
Damit war aber auch die Reihe der Genüsse vorüber. Nach¬
mittags stand ich Posten. Ungeheuere Trains kamen vorbei, in
wilder Hast, ärger als in Milina, wo sich auf der Straße gegen
Amalija nur ein Korps, unser achtes, bewegt hatte. Hier kamen
Bosnier, Tschechen, Magyaren, Landesschützen. Die Kanonen
donnerten, die Läden waren geschlossen, die Zivilbevölkerung
packte ihre Sachen, um fortzufahren (größtenteils nach Neu¬
satz), und das Gerücht verbreitete sich, daß Belgrad brenne. Ich
eilte, als ich vom Posten abgelöst worden war, zum Bahnhof,
um zu sehen, ob es wahr sei. Nein, Belgrad brannte nicht. Da
lag es wundervoll am Hang eines Berges, auf dem sich der
Konak und die Spitzen der Kathedrale in den Himmel schmei¬
chelten, während sich unten am Ufer die Häuser in der Donau
spiegelten. Auf der Höhe blitzten serbische Kanonen auf und
schossen gegen unsere drei Brücken. Belgrad brannte nicht, nur
ein isoliert stehendes, großes Gebäude — wie es heißt die
Zuckerfabrik — stand in Flammen.
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