Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Reminiszenzen anderer Natur laut. Im Vorjahr hatten wir 
hier im Kaisermanöver friedlich gekämpft, viele — darunter 
auch ich — in der Überzeugung, daß sie zum letzten Male 
Bajonett und Tornister trügen. Und Kommandant war der 
Erzherzog Franz Ferdinand gewesen. 
Wir kamen an Hütten vorüber, an Wächterhäuschen und an 
Dorfbahnhöfen, an Bahnschranken, Feldern; überall standen 
Leute am Bahndamm und segneten den Zug, Weiber rangen die 
Hände und schrien vor Leid. An manchen Stellen Gattinnen 
unserer Reservisten, sie waren herbeigekommen und hatten 
stundenlang den Zug erwartet (wann er kommen werde, konnte 
ja niemand wissen), nur um ihren vorbeifahrenden Männern 
ein Wort der Liebe zurufen zu können. Um 9 Uhr fand in 
Wesely-Mezimosti die Kaffeeverteilung statt. Der Kaffee war 
auf den flachen, ungedeckten Waggons gekocht worden, auf 
denen je drei Fahrküchen die ganze Nacht hindurch gedampft 
hatten — kleine Lokomotiven mitten im Eisenbahnzug. Ich 
verzichtete auf den elenden Kommißkaffee und wollte mir im 
Bahnhofsrestaurant einen besseren kaufen. Aber der Schank¬ 
tisch war voll von Soldaten, die Semmeln erstehen wollten, so 
daß ich nüchternen Magens den Zug wieder besteigen mußte. 
In Wittingau wurde wieder Station gemacht, dort erzählten 
uns die Leute, daß Rußland auf die befristete Anfrage über den 
Zweck der russischen Rüstungen mit der Kriegserklärung ge¬ 
antwortet habe. Die Soldaten sind sich im allgemeinen der 
Tragweite dieser Mitteilung nicht bewußt, die nicht viel anderes 
zu bedeuten scheint, als einen großen europäischen Krieg, 
einen — Weltkrieg. 
Um %10 Uhr waren wir in Ghlumetz. Auf dem Bahnhof 
stand der kleine Herzog Max von Hohenberg mit der jüngsten 
Schwester seiner Mutter, der Gräfin Henriette Ghotek, und 
einem jungen Geistlichen. Er sah aus, als ob er seinem Vater, 
dem Erzherzog Franz Ferdinand, aus dem Gesicht geschnitten 
wäre. Der Prinz war aus dem Schloß Chlumetz herbeige¬ 
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