Volltext: Schreib das auf, Kisch!

mit solchen, die aus dem Spital einrückten, aber im Hinblick auf 
das gefährliche Klima, dem die Truppe vorn ausgesetzt ist, es 
vorziehen, die Resultate der Kämpfe im Zuschauerraum abzu¬ 
warten. Ihre Reden frappierten mich, in denen sich eine ganz 
eigenartige Sachkenntnis dartat: jeder wußte die Stationen und 
Staffeln des Krankenabschubs genau, jeder wußte, wo „gün¬ 
stige“ und wo „ungünstige“ Spitalskommandanten zu finden 
seien, wie man es anstellen müsse, um statt in das Militärspital 
in ein Rotes-Kreuz-Spital zu kommen (ich hatte bisher gar 
nicht geahnt, daß dies ein Unterschied sei), oder einen Urlaubs¬ 
schein zur Heimreise zu erhalten, oder gar in eines jener Re¬ 
konvaleszentenheime zu gelangen, das ein hochadeliges Schloß 
ist, wo man auf die Jagd gehen und im Auto fahren kann und 
eine schöne, heitere Pflegerin hat. Jeder hatte Erfahrungen, und 
die anderen lauschten gierig und notierten sich den Namen eines 
gefälligen Militärarztes und eines freundlichen Asyls; alle be¬ 
kannten sich off en zu dem Grundsatz „Heile mit Weile“. Einer 
hatte einen glücklichen Schuß erwischt, der andere leider nur 
einen Hexenschuß, „mit dem er höchstens bis Bukovar kommen 
konnte.“ 
Der Krieg dient diesen Nobelmarodeuren zur Erreichung eines 
feineren Lebens, zur Erlangung von Aufmerksamkeit und Pflege. 
Diese Leute sind manchmal wirklich krank: Tuberkulose, Herz¬ 
schwäche, Leistenbruch oder dergleichen. Aber daran litten sie 
schon im Frieden, und es ist betrügerischer Konkurs, sich im 
Frieden für den Kriegsfall aushalten, sich jahrelang für den zu¬ 
künftigen Bedarfsfall bezahlen zu lassen und dann im Moment 
der Entscheidung einfach auszukneifen. Ein aktiver Offizier, 
der sich während des Krieges wegen eines Geburtsfehlers super¬ 
arbitrieren läßt, ist ein Deserteur. Im Felde an Tuberkulose zu 
sterben, ist mindestens so ein „Heldentod“, wie wenn man aus 
dem Hinterhalt durch einen Schuß getötet wird. 
14 Kisch, „Schreib das a.uf‘ 
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