Selbst das Unvermutete ist immer irgendwie vorbereitet, selbst
die Katastrophen. Heute haben zwei Soldaten auf folgende
Weise den Tod gefunden: sie wurden, als sie in der Deckung
lagen, durch Flankenschüsse getroffen, einer in den Fuß, der
andere in den Arm. Als sie daraufhin aufsprangen (vor Schmerz
oder um zum Hilfsplatz zu eilen), traf die blutenden, aus dem
Zustand des gesunden Lebens bereits herausgerissenen Männer
eine Granate und tötete beide.
Ein zweiter Fall: vor einigen Tagen war der Rechnungsunter¬
offizier Johann Miksicek vom Regimentsarzt ins Feldspital ge¬
sendet worden, weil eine schwere Pneumonie bei ihm konsta¬
tiert wurde. Alle ergingen sich in Lobeshymnen über ihn, als ob
er bereits tot sei. Inzwischen war — wie man heute erfuhr —
Miksicek frontdiensttauglich erklärt worden und im Begriff,
der Truppe nachzukommen. Dabei hatte er auf der Landstraße
einen eben eingerückten Rekruten namens Zobal zur Rede ge¬
stellt, weil dieser einen ihm anvertrauten Kranken hilflos auf
dem Wege zurückließ. Der in der Kriegseile jedenfalls schlecht
ausgebildete Rekrut hatte frech geantwortet, Miksicek ihn in der
Erregung angefaßt, worauf Zobal das Gewehr von der Schulter
riß und Miksicek durch einen Herzschuß tötete. Feldwebel
Mudra, ein Zeuge des Vorfalles, ließ den Mörder, der ruhig und
mit zynischen Bemerkungen seinen Weg fortsetzte, in Ub von
einem Feldgendarmen verhaften, und dort wurde Zobal gehängt.
Das Tagesgespräch bei unserer Truppe bildet das Bedauern über
das Schicksal Miksiceks, aber eigentlich war jeder auf seinen
Tod vorbereitet gewesen, und nur die Art des Todes überraschte,
nicht der Tod selbst.
Dienstag, den 24. November 1914.
In der Feuerlinie war mein Gemütszustand nur durch die kör¬
perlichen Leiden (die eigenen und die der anderen) gedrückt.
Die seelischen Eindrücke waren, wenn nicht gerade die Ver¬
wundung oder der Tod eines Kameraden mich betraf, im allge¬
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