Volltext: Schreib das auf, Kisch!

des serbischen Amtsblattes „Srbske Novine“ handelte und mir 
das Buchstabieren der cyrillischen Lettern immer noch einige 
Mühe macht, entzifferte ich das Blatt vom amtlichen Teil bis 
zu den Todesanzeigen, die erste Zeitung aus Feindesland. Be¬ 
sonders interessierte mich die Darstellung der Kämpfe in Bos¬ 
nien, in denen (ohne Zweifel wahrheitsgemäß) die Zurück¬ 
weisung unserer Angriffe dargelegt wurde. 
Oberleutnant Dr. von Schönfeld vom Divisionskommando ist 
gestern in der Schwarmlinie getötet worden. Seine Leiche liegt 
mit offenen Augen und lächelndem Gesicht in einem eilig ge¬ 
zimmerten Sarg. Man bereitete ihm ein besonderes Begräbnis, 
der Divisionär und die Brigadiere, die Generalstäbler, Sanitäts¬ 
chef, Intendanzchef, Ordonnanzoffiziere, Divisionspfarrer und 
Telephonoffiziere erschienen, und der Stabszug der Her Dra¬ 
goner rückte aus. 
Der zweite Tote ist Dr. Hans Thorsch, der gestern bei der 
Rekognoszierung eines Brückenzustandes den Tod gefunden hat. 
Dr. Thorsch war als geistvollster Verteidiger vor dem Divisions¬ 
gericht eine äußerst geschätzte Persönlichkeit in unserem Ge¬ 
fechtsbezirk. Mich hatte er vor acht Tagen, als ich mich zu 
102 verirrt hatte, mit Bier bewirtet. Seine Leiche liegt vor un¬ 
serer Linie und ist noch nicht geborgen. 
Donnerstag, den 19. November 1914. 
Als ich heute nacht nach Hause stampfte, hatten Finsternis 
und Kot geherrscht, so daß ich trotz meiner Vorsicht jeden 
Moment einen Holzpflock oder Baum anrannte; die Lehm¬ 
klumpen hatten mir ins Gesicht gespritzt, und das Wasser war 
in meine Strümpfe gedrungen. Aber als ich morgens ins Freie 
trat, war es so hell, daß mich die Augen schmerzten: Schnee ist 
gefallen! Er lagerte in dicker Schicht auf den Plachen der 
„Landesübel“, d. h. der landesüblichen Fuhrwerke, auf den Zelt¬ 
blättern, die den Bagagetrain zudecken, auf den Schindeldächern 
der Lajkovacer Häuser, auf den Querlatten der Zäune, auf den 
203
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.