Volltext: Schreib das auf, Kisch!

Gegen Mitternacht hörte das Schießen auf, und an seine Stelle 
trat das lebhafte Feuer aus einer einzigen Flinte, was man an 
der Richtung des Schalles und der Geschosse erkannte. Auch ein 
Feuer, das auf dem Kosovac zu lodern begann, schien nur dazu 
angetan, uns das Vorhandensein von Serben vorzutäuschen. 
Patrouillen wurden vorgesandt, und um 2 Uhr morgens mel¬ 
deten sie, daß der Berg geräumt worden sei. Ein Bataillon 
besetzte den Ziegenrücken, der das Berggebiet Serbiens im 
Norden eröffnet. 
Um 5 Uhr morgens brachen wir zur Vorrückung auf. Auf der 
Landstraße, auf dem Gleis der schmalspurigen Bahn, fuhr mit 
verkehrter Lokomotive ein Zügle in der Richtung Schabatz vor¬ 
sichtig einher. Am Südausgang von Zminjak sah ich eine Kirche, 
einen neuen roten Ziegelbau im Kuppelstil der Moscheen. Das 
wollte mir nicht gefallen, ich erinnerte mich an die Zigaretten¬ 
fabrik bei Dresden, die sich gleichfalls recht morgenländisch 
präsentieren möchte und doch eine Fabrik ist. Viel inniger, weil 
unabsichtlicher war die Verbindung zwischen Orient und Kirche 
auf dem Friedhof gewahrt, dessen Kreuze und Gräber schief, 
ungeordnet, verstreut, von schönem Unkraut und mancher Zier¬ 
blume geschmückt sind, so daß man sich an die heilige Mos- 
leminengrabstätte im kleinasiatischen Skutari erinnert. 
Ich kam mit einem Soldaten ins Gespräch, der eines der 
landesüblichen Heidi-Wagerl kutschierte. Er erzählte mir mit 
wichtigem Gehaben, daß er am Morgen einen verwundeten 
Leutnant unseres Regiments von Lipolist nach Zminjak gefahren 
und ihn dabei gefragt habe, wann Schluß des Krieges sei. „Weißt 
du, was er mir geantwortet hat? Er wisse es selbst nicht. Ist 
das nicht großartig: die Herren wissen selbst nicht, wann Schluß 
sein wird!“ 
Ich bekam endlich ein Paar Stiefel, ein unsagbar angenehmes 
Geschenk. Ich zog die alten aus und die neuen an. Zwischen 
diesen beiden Beschäftigungen ließ ich fünf Minuten ver¬ 
streichen, fünf Minuten genoß ich das Gefühl, ohne Stiefel zu 
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